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Annette Bonse

Pakt mit Gaddafi. Die europäische Kooperation mit Libyen in Migrationsfragen vor Ausbruch der Arabischen Revolution

Marburg: Tectum Verlag 2011 (Bonner Studien zum globalen Wandel 15); 132 S.; pb., 24,90 €; ISBN 978-3-8288-2792-9
Die häufig über den Seeweg kommenden, irregulären Migranten aus Afrika wurden in den vergangenen Jahren von der EU zunehmend als die eigenen Sicherheitsinteressen bedrohend wahrgenommen. Als Reaktion darauf hat die Union verstärkt darauf gesetzt, dass Migranten die europäische Grenze gar nicht erst erreichen, sondern bereits auf afrikanischem Boden aufgehalten werden. Um dieses Ziel erreichen zu können, wurde eine Kooperation mit Nicht-EU-Ländern nötig, bei der insbesondere Libyen als einer der am häufigsten genutzten afrikanischen Transitstaaten eine wichtige Rolle zukam. Vor diesem Hintergrund klärt Bonse die Frage, „inwieweit sich die von der EU intendierten Ziele mit den tatsächlichen Konsequenzen dieser Zusammenarbeit decken“ (9). Dabei untersucht die Autorin zwei sicherheitsrelevante Aspekte: Zum einen nimmt sie in den Blick, wie sich die einzelnen Maßnahmen tatsächlich auf die staatliche Sicherheit (speziell aus EU-Perspektive) auswirkten, zum anderen befasst sie sich mit der individuellen Sicherheit der Migranten. Bonse vermittelt zunächst einen Überblick über das Ausmaß und die Entwicklung der irregulären Migration (Kapitel 2), die aus diesem Grunde beginnende europäische Kooperation mit Drittstaaten (Kapitel 3), um sich dann speziell der bilateralen Zusammenarbeit Italiens und Libyens beziehungsweise auch der EU und Libyens zu widmen (Kapitel 5). In Kapitel 6 nimmt sie die zur Beantwortung der Forschungsfrage relevante Analyse vor und stellt heraus, wie die getroffenen Vereinbarungen umgesetzt wurden und welche Konsequenzen sie hatten. Hier wird deutlich, dass die finanzielle und operative Zusammenarbeit zwischen der EU und Libyen keineswegs dazu führte, dass weniger Migranten nach Europa kamen. Vielmehr suchen sich die Migranten nun andere Routen, benutzen kleinere Fahrzeuge, die nicht kontrolliert werden, bestechen korrupte Grenzkontrollbeamte und wagen den Grenzübertritt nur noch mithilfe von Schleusern. Darüber hinaus sorgen die seit 2004 von Italien finanzierten Flüchtlingslager, in denen laut libyschem Gesetz Migranten zeitlich unbegrenzt festgesetzt werden dürfen, dafür, dass sich die Gefahr einer terroristischen Unterwanderung der Migranten erhöht. Die durch den Pakt mit Gaddafi intendierten Ziele der EU sind damit als gescheitert zu beurteilen.
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 3.6 | 3.5 | 4.42 | 2.67 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Annette Bonse: Pakt mit Gaddafi. Marburg: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34728-pakt-mit-gaddafi_41741, veröffentlicht am 12.04.2012. Buch-Nr.: 41741 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken