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Thomas Schmidinger (Hrsg.)

Kurdistan im Wandel. Konflikte, Staatlichkeit, Gesellschaft und Religion zwischen Nahem Osten und Diaspora

Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2011; 263 S.; 44,80 €; ISBN 978-3-631-60270-6
Auch wenn die Grenzen Kurdistans nicht exakt abgesteckt werden können, die Bewohner dieses Gebietes sich nicht einheitlich als Kurden bezeichnen und das Kurdische stark voneinander abweichende Dialekte beinhaltet, besitzt die Region Kurdistan eine weit zurückreichende, konfliktreiche Geschichte und spielt vor allem in politischen, kulturellen und religiösen Fragen bis heute eine wichtige Rolle. Schmidinger bot im WS 2008/09 an der Universität Wien ein Seminar über Kurdistan an und ediert in diesem Buch ausgewählte studentische Arbeiten und ergänzt sie um Gastbeiträge von ausgewiesenen Kurdologinnen (Fischer-Tahir, Omarkhali) und NGO-Mitarbeitern (Kreutzer, Allgäuer). Vorrangig möchte der Herausgeber mit diesem Band eine Einführung in die Kurdistan-Frage vorstellen, daneben aber auch detailliertere Fragen diskutieren. Dabei wird Kurdistan von ihm nicht vorrangig über seine Gebietsgrenzen definiert, sondern „anhand der politischen Geschichte […] und zwar als jene Region, in der Bevölkerungsgruppen leben, die unterschiedliche iranische Dialekte sprechen und deren kurdische Identität sich v. a. aus der Abgrenzung von den jeweiligen Nationalstaaten bzw. aus einer langen Verfolgungs- und Widerstandsgeschichte zwischen diesen Nationalstaaten und deren Bevölkerungsgruppen herausgebildet hat“ (10 f.). Der Beitrag von Oberdörfer deckt das erste Ziel Schmidingers ab. Der Autor kann mithilfe des ideologiefreien Analysegerüstes von Miroslav Hroch drei Phasen des kurdischen Nationalismus nachzeichnen: innerhalb einer Elite entsteht ein Interesse an Kultur (Phase A), von dem eine „energische Minorität“ (16) ergriffen wird, die in der Kultur eine Nation zu erblicken glaubt und diese Idee öffentlich propagiert (Phase B), woraufhin die breite Masse von der Idee erfährt, diese mittlerweile ideologische Merkmale aufweist und andere Identitätsmomente nachrangig werden lässt (Phase C). Einer eher speziellen Frage geht Bartl nach. Sie gibt zwar zunächst einen Überblick über die Komplexität der kurdischen Diaspora in Westeuropa, untersucht dann allerdings anhand von zwei Fallbeispielen (kurdische Studentenvereine in Schweden) das Zusammenspiel von Identität und Bildung. Dabei stellt sie fest, dass das Streben nach höherer Bildung bei in Schweden lebenden Kurdinnen und Kurden eingebettet ist in die drei Faktoren Familie, kurdischer Hintergrund und politischer Kontext.
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.63 | 4.42 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Thomas Schmidinger (Hrsg.): Kurdistan im Wandel. Frankfurt a. M. u. a.: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34531-kurdistan-im-wandel_41470, veröffentlicht am 19.01.2012. Buch-Nr.: 41470 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken