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Matthias Middell / Felix Wemheuer (Hrsg.)

Hunger, Ernährung und Rationierungssysteme unter dem Staatssozialismus (1917-2006)

Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2011; 375 S.; geb., 52,80 €; ISBN 978-3-631-60318-5
Zu hungern war von 1918 bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein eine alltägliche Erfahrung für große Teile der Bevölkerung in der Sowjetunion und in China, in Nordkorea sogar bis Ende der 1990er-Jahre. Nimmt man die Zahl der Hungeropfer in allen drei Ländern zusammen, übersteigt sie die der Opfer von politischer Repression und Terror bei Weitem, wie Wemheuer in seiner Einleitung feststellt. Allein schon deshalb ist es verwunderlich, dass das Thema Hunger in der bisherigen Forschung nur marginal aufgearbeitet wurde. Middell und Wemheuer leisten mit diesem Sammelband einen Beitrag zum vernachlässigten Forschungsthema und gehen der Frage nach, warum es zu Hungersnöten in der Sowjetunion, in China, Polen, Estland, der Ukraine, der DDR (bzw. der SBZ), in Kasachstan und Nordkorea kam und wie die sozialistischen Gesellschaften diesem existenziellen Problem begegneten. Die Herausgeber widmen sich gerade deshalb so unterschiedlichen Ländern wie beispielsweise China und der DDR, um den jeweiligen gesellschaftlichen Umgang mit Hunger und Mangel verständlicher und besser vergleichbar zu machen. Für China stellt Mühlhahn heraus, dass Mao innerhalb seines Volkes zwischen Freunden und Feinden bzw. Reaktionären unterschied und Freunde nur dann einen Anspruch auf Lebensmittel erheben konnten, wenn dieser Forderung Arbeitsleistungen gegenüberstanden. Bauerkämper macht in seinem Beitrag über die SBZ bzw. frühe DDR deutlich, dass die rücksichtslos durchgesetzte Zwangskollektivierung sowie Missernten die Lebensmittelversorgung erheblich erschwerten und diese Tatsache in Kontrast zu den Beschlüssen des V. SED-Parteitages stand, nach denen der durchschnittliche westdeutsche Pro-Kopf-Verbrauch an Nahrungsmitteln übertroffen werden sollte. Beide Herausgeber präsentieren einen vielschichtigen Sammelband, in dessen einzelnen Beiträgen die jeweiligen historische Kontexte und die politisch-sozialen Besonderheiten des Landes beleuchtet und in dessen Einführung alle Artikel in einen größeren konzeptionellen Rahmen eingeordnet werden.
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.25 | 2.62 | 2.68 | 2.22 | 2.314 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Matthias Middell / Felix Wemheuer (Hrsg.): Hunger, Ernährung und Rationierungssysteme unter dem Staatssozialismus (1917-2006) Frankfurt a. M. u. a.: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34529-hunger-ernaehrung-und-rationierungssysteme-unter-dem-staatssozialismus-1917-2006_41468, veröffentlicht am 12.01.2012. Buch-Nr.: 41468 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken