Skip to main content
Christian Junge

Sozialdemokratische Union Deutschlands? Die Identitätskrise deutscher Volksparteien aus Sicht ihrer Mitglieder

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2012; 310 S.; 39,95 €; ISBN 978-3-531-18297-1
Diss. Göttingen; Begutachtung: W. Reese-Schäfer, T. von Winter. – Ausgehend von der vielzitierten Identitätskrise deutscher Volksparteien untersucht Junge zwei Fragen: Können die Mitglieder von CDU und SPD klar benennen, was den Markenkern ihrer Partei ausmacht? Führt ein diffuses Gefühl organisationaler Identität zu nachlassendem Mitgliederengagement? Junge forscht hierfür qualitativ: Im Sommer 2007, zur Halbzeit der Großen Koalition, führte er Leitfadengespräche mit je 15 Mitgliedern beider Parteien. 25 dieser Interviews fanden letztlich als Datengrundlage Verwendung – eine übliche Größe bei einem solchen Forschungsdesign. Im Ergebnis der kategoriellen Inhaltsanalyse macht Junge zunächst vier Dimensionen von Diffusion organisationaler Identität in der Wahrnehmung der Mitglieder aus: In beiden Parteien bestehen Schwierigkeiten, ein widerspruchsfreies Bild der eigenen Gruppe zu zeichnen (Kohärenz), die Parteien voneinander zu differenzieren (Konvergenz), eine Relevanzordnung der wichtigsten Parteimerkmale herzustellen (Zentralität) sowie einen roten Faden im Erscheinungsbild der Partei zu erkennen (Kontinuität). Wegen der hohen Zahl entsprechender Zitate erkennt der Autor vor allem in der fehlenden Kohärenz und mangelnden Unterscheidbarkeit eine für die Parteimitglieder problematische Identitätsdiffusion. Er stellt jedoch auch fest, dass dieses Gefühl individuell unterschiedlich ausgeprägt und seine Bewältigung von den persönlichen Ressourcen der Befragten (Zeit, Umfeld, Intellekt) abhängig ist. Die anschließende Sequenzanalyse zweier besonders vielversprechender Fälle kann die Vermutung eines Kausalzusammenhangs zwischen einer als diffus empfundenen Parteiidentität und schwindendem Mitgliederengagement indes nicht bestätigen. Letzteres ließe sich, wie der Autor ernüchtert einräumt, auch durch die der Parteienforschung bereits bekannten Variablen wie Elitenverhalten, ungenügende Partizipationsangebote sowie fehlende zeitliche Kapazitäten erklären. Obwohl die Ergebnisse der Arbeit damit überschaubar sind, überzeugt sie doch durch die saubere und akribisch dokumentierte methodische Ausführung.
Andrea Priebe (AP)
M. A., Politikwissenschaftlerin, Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.331 Empfohlene Zitierweise: Andrea Priebe, Rezension zu: Christian Junge: Sozialdemokratische Union Deutschlands? Wiesbaden: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34309-sozialdemokratische-union-deutschlands_41178, veröffentlicht am 09.08.2012. Buch-Nr.: 41178 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken