Die Journalistin Sabine Adler, lange Zeit Korrespondentin für das Deutschlandradio in Russland, entwirft mit Reportagen, Features, Interviews und persönlichen Erinnerungen ein eindrucksvolles Bild von der Entwicklung Russlands seit dem Ende der Sowjetunion. Aufschlussreich sind ihre Porträts von russischen Politikern und einfachen Menschen. Auch ihr Vergleich der beiden verstorbenen Dissidenten Andrej Sacharow und Alexander Solschenizyn öffnet den Blick auf die politische Kultur Russlands und die Identität der Russländer. Sacharow der Kosmopolit und Solschenizyn der Nationalist spiegelt heute noch die Zerrissenheit der Russländer in der Frage wider, wohin Russland gehört – zu Europa? Oder ist Russland etwas Eigenständiges und Besonderes zwischen Europa und Asien? Die Journalistin beschreibt eindringlich die Hoffnungen und Enttäuschungen der Menschen; ihre Beobachtungen sind Momentaufnahmen, die sich zu einem beunruhigenden Gesamtbild zusammenfügen. Das Credo der Autorin lautet deshalb: „Russland spielt mit seiner Zukunft, weil es bisher aus seiner Vergangenheit zu wenig gelernt hat.“ (9) Das gute journalistische Buch wäre für den Leser noch etwas übersichtlicher, gebe es an der einen oder anderen Stelle einen Infokasten mit Basisinformationen, zum Beispiel zu den Folgen des Reaktorunfalls in Tschernobyl, Zeittafeln und Landkarten. Das Buch richtet sich schließlich gerade an Leser, die mehr über den Wandel in Russland und im postsowjetischen Raum erfahren möchten und weniger an diejenigen, die ohnehin schon wissenschaftlich zum Thema arbeiten.