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Marlène Schnieper

Nakba – die offene Wunde. Die Vertreibung der Palästinenser 1948 und die Folgen

Zürich: Rotpunktverlag 2012; 380 S.; brosch., 28,- €; ISBN 978-3-85869-444-7
Der Konflikt zwischen Israel und Palästina gehört zweifellos zu den zentralen Konflikten auf der Welt und ist aufgrund seiner Problemstruktur mit den zahlreichen konfligierenden Interessen äußerst „vertrackt“. Nach Auffassung der Autorin habe sich in den europäischen Ländern und in Israel ein „jüdisches Narrativ“ (14) durchgesetzt, das betont, dass es die arabischen Staaten waren, die den UN-Teilungsplan 1947 nicht anerkannten und stattdessen Israel den Krieg erklärten. In den Hintergrund trete dabei das „palästinensische Narrativ“ (11), das auf das Unrecht hinweise, das den Palästinensern seit dem Ende des Osmanischen Reiches 1917 widerfahren sei. Dieses Unrecht habe sich im Teilungsplan manifestiert und gipfelte dann in der Nakba. Die Nakba, also die von den Palästinensern als Katastrophe bezeichnete Vertreibung aus den palästinensischen Gebieten 1948, steht im Zentrum des Buches. Die Autorin hat acht Interviews mit Vertriebenen oder Nachfahren von Vertriebenen durchgeführt. Mit journalistischen Mitteln werden deren Auffassungen über die Nakba nacherzählt. Diese Erfahrungsberichte sollen dafür sorgen, dass das „palästinensische Narrativ“ zur Kenntnis genommen wird. Der Journalistin Schnieper ist also nicht an einer ausgewogenen Schilderung gelegen, sondern sie nimmt bewusst die palästinensische Perspektive ein, um so einen Kontrast zu dem vorherrschenden „israelischen Narrativ“ zu schaffen und damit zugleich eine Auseinandersetzung mit dem „jüdischen Narrativ“ zu ermöglichen. Die jeweiligen Berichte bettet sie auf der Grundlage wissenschaftlicher Quellen immer wieder in den historischen Kontext ein, sodass die persönlichen Erfahrungen auf lebendige Weise mit historischen Tatsachen verwoben werden. Das erste Kapitel liefert einen historischen Überblick bis zur Nakba 1948. Das letzte Kapitel beschäftigt sich dann mit den Folgen der Vertreibung bis in die Gegenwart. Zwischen diesen beiden Kapiteln stehen die acht Berichte der Palästinenser, darunter so unterschiedliche Personen wie ein Fremdarbeiter, ein Bauer, ein Aristokrat und ein Islamist. Die Berichte sind kurzweilig geschrieben, wodurch ein guter Einblick in die menschlichen Schicksale vermittelt wird. Wenn das „palästinensische Narrativ“ bisher in den Diskussionen tatsächlich zu kurz gekommen ist, dann kann dieses Buch jedem, der diese Perspektive näher kennenlernen möchte, nur empfohlen werden.
Jan Achim Richter (JAR)
Dipl.-Politologe, Doktorand, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.63 | 2.25 | 4.1 | 4.41 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Jan Achim Richter, Rezension zu: Marlène Schnieper: Nakba – die offene Wunde. Zürich: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34058-nakba--die-offene-wunde_40827, veröffentlicht am 31.05.2012. Buch-Nr.: 40827 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken