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Wolfgang Gehrcke (Hrsg.)

»Alle Verhältnisse umzuwerfen...«. Eine Streitschrift zum Programm der LINKEN

Köln: PapyRossa Verlag 2011; 235 S.; 12,- €; ISBN 978-3-89438-459-3
Die Geschichte der linken Bewegung ist geprägt von internen Auseinandersetzungen um die Richtigkeit theoretischer Interpretationen, ihrer praktischen Anwendung sowie um die Frage nach den Mitteln zur Durchsetzung der politischen Forderungen. Das stellt auch Wolfgang Gehrcke fest: „Keine linke Partei ohne Spaltung! Krieg oder Frieden, Sozialreform oder Revolution waren die Bruchpunkte der Sozialdemokratie bis 1914.“ (11). Die bis heute zu spürenden Nachwirkungen dieser Auseinandersetzung sollen dem Selbstanspruch nach mit dem neuen Grundsatzprogramm der Partei DIE LINKE überwunden werden. Der Herausgeber betont allerdings: „Unser Buch ist kein Programm – es ist der Stoff, aus dem Programme geschrieben werden.“ (9). Wie schwer der Weg zum gemeinsamen Programm noch sein wird, soll anhand zweier Standpunkte verdeutlicht werden: Gehrcke versucht die ideellen Gemeinsamkeiten der LINKEN herauszustellen und macht klar: „Kein Sozialismus ohne Demokratie“ (11). Damit plädiert er implizit für die Schaffung menschenwürdiger Verhältnisse auf reformerischem Wege, da die kapitalistische Gesellschaft „nicht [sic!] in einem geschichtlichen Paukenschlag von der neuen abgelöst wird“ (15). Bei Andreas Wehr hingegen liest man von einer tiefen Sympathie für Lenins Imperialismus-Theorie, die er in der neoliberalen Entwicklung bestätigt sieht. Und aus der bis heute gültigen Analyse Lenins und deren Weiterentwicklung zur staatsmonopolistischen Kapitalismustheorie leite sich „jene ‚sozialistische Taktik gegen den kapitalistischen Imperialismus‘“ ab (140, Wehr zitiert hier zustimmend Lenin), ohne die DIE LINKE nicht auskommen könne. Unter anderem kann es laut Wehr nicht zur sozialistischen Taktik gehören, an der Regierung beteiligt zu sein, denn „DIE LINKE [hat] bereits erfahren, dass die Kernbereiche des Staates allein durch parlamentarische Mehrheiten nicht in Frage gestellt werden können.“ (143). Die alten Fragen sind also immer noch aktuell. Es finden sich aber auch relativ neue, etwa die nach dem Umgang mit der Endlichkeit natürlicher Ressourcen (Elmar Altvater, Ralf Krämer). Eine für alle Flügel befriedigende Antwort auf alte und neue Fragen liefert dieses Buch nicht. Ob das Programm sie geben kann, bleibt abzuwarten.
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.331 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Wolfgang Gehrcke (Hrsg.): »Alle Verhältnisse umzuwerfen...«. Köln: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34049-alle-verhaeltnisse-umzuwerfen_40811, veröffentlicht am 28.07.2011. Buch-Nr.: 40811 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken