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Unsichtbares Komitee (Hrsg.)

Der kommende Aufstand. Aus dem Französischen übersetzt von Elmar Schmeda

Hamburg: Edition Nautilus 2010 (Nautilus Flugschrift); 126 S.; 9,90 €; ISBN 978-3-89401-732-3
Dieses Manifest hat es in sich: In bildmächtiger, teils poetischer Sprache rechnet das anonyme Autorenkollektiv mit den Zuständen des Kapitalismus und seiner Gesellschaften ab. Dabei ist der Einfluss von Denkern wie Antonio Negri zwar nicht explizit, aber kaum zu übersehen, wenn formuliert wird: „Macht konzentriert sich nicht mehr an einem Punkt der Welt, sie ist diese Welt selbst“ (108). Vor dem Hintergrund der Vorstadt-Unruhen in Frankreich in den Jahren 2005 und 2006 schildert das unsichtbare Komitee, wie ein kommender Systemwechsel möglich sei. Die Unruhen bezeichnet es als „Freudenfeuer“ (6), denn es zeige sich immer mehr: „für die gegenwärtige Situation wird es keine soziale Lösung geben“ (8). Den Wohlfahrtsstaat beschreibt es als furchterregend, das soziale Empfinden verflüchtige sich zunehmend und es begrüßt die Negation der Politik selbst. Den Individualismus verurteilt das Kollektiv als „Atomisierung in feine paranoide Teilchen“ und formuliert: „Je mehr ich Ich sein will, desto mehr habe ich das Gefühl von Leere“ (11). Damit ignorieren die Verfasser die emanzipatorische Wirkung des Individualismus gänzlich und vollziehen eine Flucht ins Kollektiv. Die Ökonomie, schildern sie an anderer Stelle, sei nicht in der Krise, sondern sei die Krise. Bei der Ökonomie handele es sich im Kern um eine Politik, „eine Politik der Selektion aus einer Menschheit, die in ihrer Masse überflüssig wurde“ (49). Bioprodukte, Konsumverzicht oder Zen, all das sei nur „der passende Nebel, hinter dem die Idee der anderen […] sich weiterentwickelt“ (51). Aus dieser grundsätzlichen Ablehnung der Zustände heraus argumentieren sie für einen „Kommunismus als Matrix eines minutiösen, kühnen Angriffs gegen die Herrschaft“ (121). Dabei sei auch Bewaffnung nötig. Da in Parlamenten „das Palaver, die sich ziellos entfaltende freie Rede“ herrsche, müsse man, heißt es reichlich hegemonial, in den Kommunen und Komitees dazu kommen, die „Wahnvorstellung der Vollversammlung zugunsten einer solchen Versammlung der Präsenzen zu zerreißen“, „um sich auf die Entscheidung als Zweck zu fixieren“ (100).
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.22 | 2.23 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Unsichtbares Komitee (Hrsg.): Der kommende Aufstand. Hamburg: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32939-der-kommende-aufstand_39341, veröffentlicht am 03.11.2010. Buch-Nr.: 39341 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken