Skip to main content
Hasan Kaygisiz

Menschenrechte in der Türkei. Eine Analyse der Beziehungen zwischen der Türkei und der Europäischen Union von 1990-2005

Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2010 (Europäische Hochschulschriften: Reihe XXXI, Politikwissenschaft 587); 430 S.; 64,80 €; ISBN 978-3-631-59892-4
Diss. Bonn; Gutachter: C. Hacke, V. Kronenberg. – Für Kaygisiz zählen die Menschenrechte zu den Leitnormen, die für die politische Ordnung der EU bestimmend sind – ablesbar etwa an den Kopenhagener Kriterien von 1993 für beitrittsinteressierte Länder, darunter Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und der Schutz von Minderheiten. Vor dem Hintergrund dieser Schwerpunktsetzung fragt Kaygisiz, warum sich die Türkei seit ihrem ersten Beitrittsantrag 1959 bisher vergebens um eine Mitgliedschaft bemüht hat. Die Türkei habe sich zu sehr auf die Bedeutung ihrer geostrategischen Lage verlassen, so die These des Autors, und die eigentlich notwendigen Reformen, die Voraussetzung für einen EU-Beitritt sind, als nicht so wichtig erachtet. Die Reformgegner verortet er nicht etwa im islamischen Fundamentalismus, sondern im autoritären Staatssystem. Die Kritik an diesem System bestimmt denn auch den Tenor dieser aufschlussreichen und gut strukturierten Studie. Kaygisiz porträtiert einen vom Militär gegründeten und bis heute kontrollierten Staat, in dem Folter „Alltagsnormalität“ (23) ist, dessen Verfassung keine Menschen- und Minderheitenrechte kennt und in dem jede demokratische Vielfalt als Bedrohung der nationalen Einheit dargestellt wird. Eine Weiterentwicklung der Menschenrechte werde zudem durch das ungelöste Kurdenproblem blockiert – für das sich der Autor aber keine Hilfe von der EU erhofft, da diese nur individuelle und kulturelle Rechte unter Garantie gestellt habe, nicht kollektive. Allgemein würden Reformen von den türkischen Herrschenden als gnädiges Entgegenkommen gegenüber der EU präsentiert. Da aber die Gesetzeslage und die praktische Umsetzung weit auseinander liegen, blieben die ratifizierten internationalen Abkommen über Menschenrechte „äußerlicher Schmuck“ (266). Das Interesse des türkischen Staates ziele mehr auf wirtschaftliche Vorteile. Auch wenn weite Teile der Bevölkerung für einen EU-Beitritt seien (einschließlich der gläubigen Muslime, die sich ein Ende der staatlichen Kontrolle ihrer Religion wünschten), hielten Teile der Eliten und das Militär um ihrer Macht willen an den bisherigen Staatsstrukturen fest. Aber eine Türkei, die die europäischen Grundwerte der Menschenrechte nicht akzeptiere, müsse von der EU „ferngehalten werden“ (389).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.63 | 4.42 | 3.1 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Hasan Kaygisiz: Menschenrechte in der Türkei. Frankfurt a. M. u. a.: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32870-menschenrechte-in-der-tuerkei_39265, veröffentlicht am 08.12.2010. Buch-Nr.: 39265 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken