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Jonas Gabler

Die Ultras. Fußballfans und Fußballkulturen in Deutschland

Köln: PapyRossa Verlag 2011 (Neue Kleine Bibliothek 156); 222 S.; 3., unveränd. Aufl.; 14,90 €; ISBN 978-3-89438-446-3
Nach dem Platzsturm von Rapid Wien-Anhängern im Stadtderby gegen Austria im Mai 2011 haben die sogenannten Ultras erneut Eingang in die mediale Berichterstattung gefunden. Es häufen sich Berichte über Fußballfanaktivisten und deren Anspruch, Vereinspolitik zu beeinflussen. Gemäß der Kurzlebigkeit medialer Aufmerksamkeit blieb eine systematische Analyse solcher Entwicklungen jedoch aus. Jonas Gabler versucht diese Lücke zu füllen und untersucht Ursprung, Entwicklung und Selbstverständnis der Ultrakultur in Deutschland sowie das Verhältnis der Ultras zu Kommerzialisierung, Gewalt und Politik. Gabler zeichnet ein differenziertes Bild der Ultra-Fankultur, das sich erheblich von dem unterscheidet, was in den herkömmlichen Medien kursiert – ohne jedoch die problematischen Elemente auszuklammern. Nicht zuletzt durch sinnvoll eingestreute Zitate aus Ultra-Fanzines bietet das Buch eine umfassende Einsicht in diese sehr heterogene Fußballfankultur. In Italien bereits in den 60er-Jahren entstanden, gelangte die Ultrakultur etwa Mitte der 90er-Jahre nach Deutschland. Heute finden sich Ultragruppierungen in jedem Profifußballklub. Unter den Stadionbesuchern nehmen sie zahlenmäßig nur einen geringen Anteil ein, investieren aber überproportional viel in das optische Erscheinungsbild der Kurve und eine kontinuierliche, vom Spielgeschehen unabhängige Unterstützung der Mannschaft. Sie sehen sich in einem Wettkampf primär mit den Fans des Gegners. Als gemeinsame Charakteristika solcher Gruppen identifiziert Gabler hohes Engagement, gruppeneigenen Zusammenhalt, Sinn für Symbolik und Provokation sowie das Eintreten für soziale Belange und die Tradition des Vereins. Er bezeichnet sie auch als „Sozialisationsinstanz“ (183) und rühmt ihre Erfolge im Zurückdrängen rechtsextremistischer Strömungen. Widersprüchlich bleibt aber zum Beispiel, dass Ultragruppierungen dezidierte vereinspolitische Ansichten haben und die Kommerzialisierung der Vereine kritisieren (daher auch die Beschränkung ihrer Vereinsbekleidung auf einen Schal), sich aber als unpolitisch rühmen. Ihr Verhältnis zu Gewaltanwendung bleibt ambivalent und wird in der Szene strittig diskutiert.
Christian Haas (CHA)
M. A., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.37 Empfohlene Zitierweise: Christian Haas, Rezension zu: Jonas Gabler: Die Ultras. Köln: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32820-die-ultras_39197, veröffentlicht am 30.06.2011. Buch-Nr.: 39197 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken