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Steffen Albrecht

Reflexionsspiele. Deliberative Demokratie und die Wirklichkeit politischer Diskurse im Internet

Bielefeld: transcript Verlag 2010 (Sozialtheorie); 369 S.; 29,80 €; ISBN 978-3-8376-1522-7
Diss. TU Hamburg-Harburg. – Online-Diskussionen stellten eine neue Form der Kommunikation dar und deshalb sei zu fragen, ob sich damit auch eine neue Form des politischen Diskurses entwickle. Mit dieser Fragestellung geht Albrecht von der Habermas’schen Theorie des kommunikativen Handelns als demokratietheoretische Erklärung für die zwischen Staat und Gesellschaft ablaufenden Vermittlungsprozesse aus. Nach einer eingehenden Prüfung dieser Theorie schreibt Albrecht allerdings, dass Habermas vor allem eine Diskursethik formuliert habe und keine überzeugende Theorie für ein real ablaufendes kommunikatives Geschehen. Dennoch orientiert er sich in der weiteren Analyse an Habermas, vor allem in der Formulierung der nun erkenntnisleitenden Fragen: Wer kommuniziert? Worüber wird kommuniziert? In welcher Form wird kommuniziert? Wie muss ein Online-Diskurs strukturiert sein und ablaufen, um den demokratischen Prozess insgesamt zu unterstützen? Albrecht konfrontiert dann die normative Theorie mit der Empirie. Dies geschieht anhand von neun ausgewählten Online-Diskussionen, die zwischen 2001 und 2004 unter den institutionellen Dächer der folgenden Organisationen stattfanden: DEMOS (Delphi Mediation Online System), einen von der EU geförderten Forschungsprojekt (der Autor war als wissenschaftlicher Mitarbeiter beteiligt); der US-amerikanischen Non-Profit-Organisation Information Renaissance sowie der EU-Website FUTURUM. Allen Diskussionen gemeinsam war, dass sie institutionell eingebunden, zeitlich und thematisch begrenzt waren und moderiert wurden. Es zeigt sich, dass die verschleierte Identität und asymmetrische Beteiligung der Teilnehmer nicht entscheidend sind. Der Diskurs entwickelte sich aber nur dann qualitativ weiter, wenn die Teilnehmer aufeinander Bezug nahmen. Albrecht zieht das Fazit, dass die Habermas’sche Forderung nach Ernsthaftigkeit und Gleichheit der Teilnehmer in Online-Diskursen nicht gewährleistet ist. Dies sei aber auch gar nicht notwendig, meint er, und entwirft das Modell der Reflexionsspiele – in diesem ist das Experimentieren mit Identitäten und Positionen zulässig und steht der Entwicklung eines politischen Diskurses (unter der Voraussetzung einer institutionellen Einbindung) nicht entgegen.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.22 | 5.42 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Steffen Albrecht: Reflexionsspiele. Bielefeld: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32705-reflexionsspiele_39043, veröffentlicht am 19.11.2010. Buch-Nr.: 39043 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken