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Ulrich Roos

Deutsche Außenpolitik. Eine Rekonstruktion der grundlegenden Handlungsregeln

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2010; 370 S.; 49,95 €; ISBN 978-3-531-17445-7
Politikwiss. Diss. Frankfurt a. M.; Gutachter: G. Hellmann, H. Müller. – In dem Paradigmenstreit zur deutschen Außenpolitik seit der Wiedervereinigung sei ein „Wandelbefund“ von der anfänglichen Kontinuitätsthese hin zu der Einschätzung, dass sich die deutsche Außenpolitik signifikant verändert habe, erkennbar. Zudem habe sich die Forschung „weg von theorietestenden hin zu befundtestenden Verfahren“ (17) entwickelt, schreibt der Autor. Diese Entwicklungen dienen ihm als Ausgangspunkt seiner aus einer pragmatistischen Perspektive unternommenen Analyse. Danach sind Außenpolitiken als Problemlösungsprozesse zu verstehen, „die von Überzeugungen als Handlungsregeln bestimmt und von menschlichen Akteuren [...] vorangetrieben werden“ (19). Roos fragt somit nicht, ob, sondern inwiefern sich die deutsche Außenpolitik verändert hat. Mit der Methodik der „grounded theory“ analysiert er die außenpolitischen Motive, Ideen und Überzeugungen der Bundesregierungen für den Zeitraum von 1990 bis 2007. Er rekonstruiert zunächst die grundlegenden Vorstellungen der Bundesregierung über die Zusammenhänge der internationalen Beziehungen sowie ihr Selbstbild über die Rolle Deutschlands in der Welt und gelangt zu beachtenswerten Befunden: Als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September sei ein „erstaunliche[r] Fokuswandel der Bundesregierung vom ‚Frieden für alle’ im Sinne eines umfassenden Weltfriedens [...] hin zur ‚Sicherheit vor den Anderen’ offensichtlich“ (168) geworden. Und die Analyse des Verantwortungskonzepts als ein bedeutendes Element des außenpolitischen Selbstverständnisses lege nahe, so Roos, dass die „eigene Rollenzuschreibung von Beginn an auf Führung ausgerichtet [war]“ (203). Dieser Führungsanspruch, den Roos auch in den weiteren Kapiteln zur Europa- und zur Sicherheitspolitik herausarbeitet, mache die eigentliche Konstante in der deutschen Außenpolitik aus. Damit müsse auch der These vom Bedeutungsverlust des Nationalstaates widersprochen werden. Die multilaterale Einbettung und Integration deutscher Außenpolitik sei nicht als Abkehr von Machtpolitik, sondern als eine „modifizierte Form des Strebens nach Einflussmaximierung“ (331) zu verstehen. In der Gesamtschau habe eine Entidealisierung beziehungsweise eine Renaissance des Realismus stattgefunden – nach Ansicht des Autors ein „höchst bedauerlicher Wandel der Weltsicht deutscher Außenpolitik“ (341).
Anke Rösener (AR)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 4.21 | 3.7 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Ulrich Roos: Deutsche Außenpolitik. Wiesbaden: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32566-deutsche-aussenpolitik_38869, veröffentlicht am 03.11.2010. Buch-Nr.: 38869 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken