Der israelische Historiker Sand attackiert den Gründungsmythos seines Landes – die Vertreibung durch die Römer und der Exodus etwa seien Erfindungen von Zionisten aus dem 19. Jahrhundert. Außerdem vertritt er den Standpunkt, dass die Juden ausschließlich eine religiöse und keine ethnische Gemeinschaft seien. Die öffentlichen Kontroversen, die mit dem Buch ausgelöst wurden, entzündeten sich aber vor allem an der politischen Intention von Sand: Er übt nicht nur Kritik an seinen Fachkollegen, sondern auch an dem von ihm als undemokratisch empfundenen israelischen Staat, der die arabische Minderheit diskriminiere. Trotz dieser unwissenschaftlichen, immer wieder auftauchenden Meinungsäußerungen vollzieht Sand am israelischen Selbstverständnis, was anderenorts längst Normalität geworden ist: Die Entmystifizierung der Nation im Sinne von Benedict Anderson. Dazu setzt er sich zunächst mit den einschlägigen Begrifflichkeiten (Rasse, Nation, Identität) und den Wurzeln der Mythen etwa in der Bibel auseinander. Dann widmet er sich einzelnen Bereichen der Geschichte, von den Hasmonäern zu den Hellenen, Puniern, Berbern und Chasaren. Und schließlich problematisiert er die Identitätspolitik Israels bis zur Gegenwart. Seine Argumentation bleibt dabei stets differenzierend. Zugleich gelingt es ihm etwa in der sehr persönlichen Einleitung, am Beispiel seiner Großeltern das Zusammenspiel von Erinnerungen und Identität zu verdeutlichen. Dabei erzeugt er beim nicht-jüdischen Leser ein erstes Verständnis für die Besonderheiten jüdischer Erinnerungen. Sand hat ein äußerst lesenswertes, seriöses Buch geschrieben. Ob man seinen politischen Sichtweisen und Schlussfolgerungen folgt, ist dabei eine andere Frage.