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Uri Gordon

Hier und jetzt. Anarchistische Praxis und Theorie. Aus dem Englischen übersetzt von Sophia Deeg

Hamburg: Edition Nautilus 2010 (Nautilus Flugschrift); 255 S.; brosch., 18,- €; ISBN 978-3-89401-724-8
Diss. Oxford; Gutachter: Michael Freeden. – Der Autor ist selbst anarchistischer Aktivist und versteht den Zusammenhang von Praxis und Theorie als „einen Dialog, bei dem die Ideen Einzelner und ihre Praxis“ (16) diskutiert werden. Aus diesem Verständnis leitet sich ab, dass Gordon keine theoretische Rechtfertigung des Anarchismus liefert, sondern sich mit der Breite der Strömungen und internen Kontroversen anarchistischer Gruppen der letzten Jahre beschäftigt. Anarchismus ist heute zugleich eine soziale Bewegung, eine politische Kultur und eine Sammlung von Ideen, führt der Autor ein. Dabei betont er, dass der heutige Anarchismus keine bloße Fortführung anarchistischer Bewegungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts ist, sondern die Wurzeln zeitgenössischer Bewegungen vielmehr in den Prozessen der 60er-Jahre zu finden sind. Damals hätten sich verschiedene radikale gesellschaftliche Bewegungen vermischt und neu strukturiert. Entsprechend sind die Themen der heutigen Gruppen auch breiter und Ökologie, Feminismus und Tierrechte von gleicher Bedeutung wie Antimilitarismus und Arbeiterkämpfe. Von besonderer Relevanz für die Praxis anarchistischer Bewegungen ist die Frage gruppeninterner Macht. Dafür sieht Gordon nur eine Lösung: „die Entwicklung einer Kultur der Solidarität, in der Machtausübung und Einflussnahme eingebettet wären“ (118). Solidarität soll in diesem Konzept also im Sinne einer positiven Motivation und nicht im Sinne einer einschränkenden Pflicht funktionieren und derart die behutsame Ausübung von Macht gewährleisten. Gordon äußert sich auch zum Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern. In Anlehnung an Michail Bakunin lehnt der Autor zunächst einmal das Konzept des Nationalismus als „ein reaktionäres ideologisches Mittel“ (221) ab. Jedoch kommt Gordon auch nicht umhin, einen Widerspruch der anarchistischen Bewegung zu konstatieren. Einerseits lehnt sie die Errichtung eines kapitalistischen palästinensischen Staates ab, andererseits „können Anarchisten einen palästinensischen Staat mit entsprechenden staatsbürgerlichen Rechten“ (225) als Mittel anerkennen, Unterdrückung zu mildern.
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.22 | 2.25 | 5.42 | 5.43 | 2.63 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Uri Gordon: Hier und jetzt. Hamburg: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/31984-hier-und-jetzt_38142, veröffentlicht am 20.05.2010. Buch-Nr.: 38142 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken