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Ernst Seidl (Hrsg.)

Politische Raumtypen. Zur Wirkungsmacht öffentlicher Bau- und Raumstrukturen im 20. Jahrhundert

Göttingen: V&R unipress 2009 (Kunst und Politik 11/2009); 175 S.; kart., 22,50 €; ISBN 978-3-89971-712-9
Die Publikation versammelt sehr verschiedene Beiträge eines Symposions, das im Juli 2008 am Institut für Kunstgeschichte der Universität Karlsruhe in Zusammenarbeit mit der Guernica-Gesellschaft stattfand. Dabei ging es darum, den Begriff des Raumtypus zur Diskussion zu stellen und ihn unter der Perspektive des Politischen, das zum öffentlichen Raum gehört, zu betrachten. So nennt der Herausgeber den politischen Raumtypus auch eine „bisher vernachlässigte Kategorie“ (9). Er stellt die Frage, ob nicht auch schon Grundformen des Raumes per se politisch wirksam werden. In seinem historischen Überblick zu Denkern des Raums hält er es als bedeutsam fest, dass trotz der immer wieder aufgegriffenen Raum-Metaphern die Grundformen des Raums nicht als solche, als Erinnerungsspeicher, diskutiert würden. Er zitiert Siegfried Kracauer: „Die Raumbilder sind die Träume der Gesellschaft. Wo immer die Hieroglyphe irgendeines Raumbildes entziffert ist, dort bietet sich der Grund der sozialen Wirklichkeit dar“ (15). Insofern hätten sich die modernen Sozial- und Kunstwissenschaften, anders als in antiken Raumkonzeptionen, in ihren Studien vor allem mit konkreten Ereignissen an individuellen Orten, also den historischen Gedächtnisorten, auseinandergesetzt. Jedoch seien dagegen die Grundformen und Ordnungen der Räume „und ihre Bedeutung für das kollektive Gedächtnis im Sinne der Erinnerung Simonides’ von Keos unverständlicherweise vernachlässigt“ (15) worden. Kay Richter untersucht die Staats- und Gesellschaftsrepräsentation in den Stadtzentren der DDR der 60er-Jahre. So unterschieden sich die zentralen und betonenden Dominanten der Stadtmitten in Ost und West deutlich in ihrer Funktion: Waren es im Westen Versicherungen, Banken oder Wirtschaftsverwaltungen, so wurden sie dagegen im Osten als Hotel-, Universitäts-, Kulturtürme oder Wohnhochhäuser entworfen. Richter resümiert: „Das Zentrum der ‚sozialistischen Stadt’ sollte der zentrale Bereich gesellschaftlicher Lebenstätigkeit sein – im bewussten Gegensatz zur City in den westlichen Ländern, wo die pluralistische Zentralität in gesellschaftlicher und kommerzieller Hinsicht in den Vordergrund gerückt wurde“ (124).
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.333 | 2.31 | 2.312 | 2.314 | 2.315 | 2.22 | 2.4 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Ernst Seidl (Hrsg.): Politische Raumtypen. Göttingen: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/31627-politische-raumtypen_37669, veröffentlicht am 26.07.2010. Buch-Nr.: 37669 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken