Welche Aufgabe und Forschungsräume hatten Philosophen in der DDR? Gab es eine spezifische Philosophie innerhalb der DDR-Hochschulen, die mehr war als eine Kaderphilosophie der SED? Antworten auf diese Fragen suchen die Autoren des Sammelbandes, die als Beteiligte die Entwicklung der Philosophie in der DDR von den 70er-Jahren bis zu ihrem Ende rekonstruieren. Sie offenbaren die Widersprüche und Brüche zwischen dem offiziellen Marxismus-Leninismus und einem kritischen marxistischen Denken sowohl an den politischen Leitprogrammen als auch an persönlichen biografischen Entwicklungen. Hans-Peter Krüger argumentiert, dass eine wirkliche Einschätzung nur abseits der parteipolitischen Institutionalisierung der Philosophie zu finden sei, da viele Philosophen in den Bereichen der Literatur- und Kulturwissenschaften Heimat fanden. Zudem gab es innerhalb der Geschichte der Philosophie oder z. B. mit der Ästhetik und Logik Themenfelder, auf die sich kritische Philosophen zurückziehen konnten. Auch regionale Spezifika der philosophischen Forschung in der DDR offenbaren eine Breite und Tiefe der Auseinandersetzung, die abseits der Doktrin des Marxismus-Leninismus entstehen konnte. Dies führt u. a. Jürgen Stahl zum Jenaer Klassik-Seminar ab 1977 aus. Die Autoren dokumentieren detailreich Forschungsfelder, Institute und Personen des philosophischen Lebens der DDR in seinem Gesamtumfang. In diesem Sinne wird mit dieser reflexiven Annäherung an die DDR-Philosophie eine Forschungslücke geschlossen, die gerade darum klaffte, weil der Marxismus-Leninismus nach der Wiedervereinigung verschwand. Doch kritisches marxistisches Denken sei auch in der Gegenwart aktuell, schreibt Krüger, der Band diene daher nicht nur der eigenen Reflexion.