Grundeinkommen und Werteorientierungen. Eine empirische Analyse
Ansätze zur Analyse von Sozialpolitik haben bisher überwiegend auf interessenpolitische, ökonomische und institutionelle Problembeschreibungen zurückgegriffen. Erst seit den 90er-Jahren wird die kulturelle Dimension gesellschaftlicher Ordnungsvorstellungen und Wertsysteme zur Deutung unterschiedlicher Wohlfahrtsregime herangezogen. An diese Konzeptualisierung anschließend möchten die Autoren – am Beispiel der Idee des Grundeinkommens – herausarbeiten, in welcher Weise Werteorientierungen die Einstellung zu Einzelfragen der Sozialpolitik präformieren. Gemessen an den verbreiteten Standards der Leistungs- und Arbeitsethik moderner Gesellschaften stellen Modelle des Grundeinkommens zweifellos eine Provokation dar, sehen sie doch eine Einkommenssicherung für jeden vor – jenseits von Arbeit und Bedürftigkeitsprüfungen. Im Kern beruht die Studie auf qualitativen Befragungen – teils als Experteninterviews mit Personen der höheren Führungsebene, teils als Fokusgruppengespräche mit Vertretern der mittleren Führungsebene aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Soziale Arbeit. Einstellungen zur möglichen Einführung einer Grundeinkommensregelung wurden im Rahmen der Gespräche mit Blick auf normative Deutungsmuster erhoben, die sich auf Menschenbild, Gerechtigkeitsvorstellungen und ordnungspolitische Verteilungsfragen beziehen. Anhänger des Grundeinkommens dürften die Befunde dieser qualitativen Erhebung eher skeptisch stimmen. Denn gerade die mit der Idee des Grundeinkommens beanspruchte Begründung durch Kriterien von Teilhabgerechtigkeit erwies sich in den Diskussionen als (bisher) wenig anschlussfähig.