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Hans-Lukas Kieser / Astrid Meier / Walter Stoffel (Hrsg.)

Revolution islamischen Rechts. Das Schweizerische ZGB in der Türkei

Zürich: Chronos Verlag 2008 (Schriftenreihe der Stiftung Forschungsstelle Schweiz-Türkei 2); 234 S.; brosch., 23,- €; ISBN 978-3-0340-0893-8
1926 übernahm die Türkei unter Kemal Atatürk das Schweizerische Gesetzbuch (ZGB). Das ZGB entstammt der europäischen Kodifikationsbewegung des 19. Jahrhunderts und unterlag dem Konzept einer Vereinheitlichung des Rechts in vorher autonomen Rechtsräumen. Recht sollte gestalterisch in einen sozialen Kontext eingebunden werden – eine Prämisse, die den nationalistischen Zielen der türkischen Regierung unter Kemal Atatürk entsprach. Diese angestrebte Volksnähe wurde allerdings durch den vergleichsweise elitären wissenschaftlichen Anspruch der türkischen Rechtsgelehrten nach einer Systematisierung des türkischen Rechtssystems mithilfe des ZGB konterkariert. Zudem erwies sich die Türkei in Bezug auf das Rechtsdenken als erheblich heterogener als die Schweiz. Für die Autoren kommt die Einführung des ZGB in der Türkei somit einer Rechtsrevolution gleich. Insbesondere in Bezug auf das Familienrecht leistet es einen entscheidenden Beitrag zur Modernisierung des Landes, da es in der Türkei eher noch als in der Schweiz als Referenz für die Gleichstellung von Mann und Frau diente. Eine Konsequenz daraus war, dass die Türkinnen ihr Stimmrecht immerhin vier Jahrzehnte vor den Schweizerinnen erhielten. Die Autoren beleuchten die Reformprozesse und Unabhängigkeitsbestrebungen der türkischen Nationalbewegung gegenüber Europa im Licht der ständigen Auseinandersetzung mit der islamischen Tradition. Bezüglich der türkischen und der schweizerischen Rechtsentwicklung nehmen die Autoren eine in Ansätzen vergleichende Perspektive ein, dabei sehen sie die beiden zivilrechtlichen Systeme in einer lockeren Interaktion miteinander. Insgesamt ist das schweizerisch-türkische Beispiel eine herausragende Referenz für die transnationale Harmonisierung von Recht und erhält vor dem Hintergrund der Herausforderungen eines möglichen EU-Beitritts der Türkei eine besondere Bedeutung.
Marinke Gindullis (MG)
Politikwissenschaftlerin.
Rubrizierung: 2.63 | 2.21 | 2.22 | 2.23 | 2.5 Empfohlene Zitierweise: Marinke Gindullis, Rezension zu: Hans-Lukas Kieser / Astrid Meier / Walter Stoffel (Hrsg.): Revolution islamischen Rechts. Zürich: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/29290-revolution-islamischen-rechts_34641, veröffentlicht am 26.02.2009. Buch-Nr.: 34641 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken