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Annette Schuhmann (Hrsg.)

Vernetzte Improvisationen. Gesellschaftliche Subsysteme in Ostmitteleuropa und in der DDR

Köln/Weimar/Wien: Böhlau Verlag 2008 (Zeithistorische Studien 42); 255 S.; geb., 39,90 €; ISBN 978-3-412-20027-5
Meist werde davon ausgegangen, dass es nur „in marktstrukturierten Gesellschaften Netzwerke in fast allen gesellschaftlichen Bereichen gibt“ (10), schreibt die Herausgeberin. Die Autoren verknüpfen nun aber die sozialhistorische Netzwerkanalyse mit empirischen Einzelstudien aus den sozialistischen Ländern DDR, Tschechoslowakei, Polen und Sowjetunion. Die Ergebnisse sind aufschlussreich, beispielsweise hinsichtlich des Funktionierens der Planwirtschaft. Es zeigt sich, dass deren Defizite auf der Basis von Netzwerken zumindest vorübergehend kompensiert werden konnten. Peter Heumos beschreibt dies am Beispiel tschechoslowakischer Industriebetriebe, die mit Zulieferproblemen und Materialmängeln konfrontiert waren. Diese Probleme wurden mit einem „Planerfüllungspakt“ gelöst. Dieser „bezeichnet informelle Übereinkünfte der beteiligten Akteure darüber, dass der politische Imperativ der Planerfüllung eine Sache war, die realen Verhältnisse eine andere“ (22). Es sei davon auszugehen, schreibt Schuhmann, dass die Einbindung informeller Arrangements in die zentrale Steuerung eine politische Realität der 70er- und 80er-Jahre gewesen sei. In den Beiträgen finden sich dafür weitere Beispiele auch außerhalb des ökonomischen Bereichs, etwa bei der Vereinheitlichung der Sozialversicherung in der SBZ. Diese wurde maßgeblich gestaltet von einem sozialpolitischen Netzwerk unter der de facto-Führung des vormaligen Sozialdemokraten Helmut Lehmann. Dierk Hoffmann schildert, wie Lehmann aufgrund seiner guten Kontakte zur sowjetischen Besatzungsmacht und zu SED-Führungspersönlichkeiten gestalterisch Einfluss nehmen konnte. Die Herausgeberin zieht aus den Beiträgen den Schluss, dass der Hauptimpuls für die Vernetzung auf den Ausgleich von Funktionsdefiziten zielte. Gleichzeitig aber „wurde der systemische Anspruch der Parteiführungen nach diktatorischem Planungs- und Verfügungsrecht permanent unterlaufen“ (20).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.2 | 2.22 | 2.25 | 2.314 | 2.61 | 2.62 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Annette Schuhmann (Hrsg.): Vernetzte Improvisationen. Köln/Weimar/Wien: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/28283-vernetzte-improvisationen_33292, veröffentlicht am 08.04.2009. Buch-Nr.: 33292 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken