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Hubertus Knabe

Die Täter sind unter uns. Über das Schönreden der SED-Diktatur

Berlin: Propyläen Verlag 2007; 384 S.; geb., 22,- €; ISBN 978-3-549-07302-5
„Eine täterfreundliche Rechtsprechung und Gesetzgebung haben bewirkt, dass man in Deutschland eine höhere Rente bekommt, wenn man zehn Jahre im Zuchthaus Bautzen als Wärter Dienst tat, als wenn man dort zwanzig Jahre in Haft saß“, schreibt Knabe, Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Wer sich „gegen die Diktatur auflehnte, durfte nicht studieren, bekam keinen guten Job, endete unter Umständen im Gefängnis – mit Folgen bis ins Alter“ (202). Dem steht das nach wie vor wirksame Zwei-Klassen-Rentenrecht der DDR gegenüber, das zur Folge hat, dass heute Hunderttausende DDR-Kader Spitzenrenten bekommen. Die Schieflage im Umgang mit den einstigen Tätern und ihren Opfern ist nicht nur bei den Renten nachzuweisen. Knabe kritisiert, dass die Diktatur der SED „nach und nach mit einem verklärenden Schleier bedeckt wurde“ (8) und zitiert den Berliner Chefermittler gegen die in der DDR begangenen Straftaten damit, „dass man im Interesse der Opfer und des Rechtsfriedens ein höheres Maß an Gerechtigkeit hätte schaffen müssen“ (97). Als einen Ausgangspunkt der Versäumnisse bei der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit benennt Knabe die Haltung zahlreicher Politiker, die nach dem glücklichen Ende der deutschen Teilung „keine neuen Wunden aufreißen“ (91) wollten – ohne zu fragen, ob die der Opfer überhaupt verheilt waren. Es sei kein der Entnazifizierung vergleichbarer Versuch unternommen worden, Täter zur Rechenschaft zu ziehen; eine „unscheinbare Formulierung“ im Einigungsvertrag habe vielmehr „eine Generalamnestie für die meisten SED-Kader“ (94) bedeutet. Die Rechtsprechung sei zudem täterfreundlich, ungesühnt blieben meist die Straftaten ehemaliger Stasi-Angehöriger, die Gefangenenmisshandlungen und die Mauertoten. Auch der Politik hält Knabe gravierende Fehler vor. Ein herausragendes Beispiel sei Manfred Stolpe. Schlimmer als dessen Zusammenwirken mit der Stasi sei sein nachträglicher Umgang damit gewesen und „wie dieser die Einstellung der Öffentlichkeit zu Verstrickungen mit dem SED-Regime beeinflusste: Die politisch-moralischen Standards wurden ausgehöhlt“ (172).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.35 | 2.314 | 2.315 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Hubertus Knabe: Die Täter sind unter uns. Berlin: 2007, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/27907-die-taeter-sind-unter-uns_32787, veröffentlicht am 27.03.2008. Buch-Nr.: 32787 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken