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Oliver August

Auf der Suche nach dem roten Tycoon. Chinas kapitalistische Revolution. Aus dem Englischen von Edith Beleites

Frankfurt a. M.: Eichborn 2007; 425 S.; geb., 22,90 €; ISBN 978-3-8218-5634-6
Anfang der achtziger Jahre verlor Lai Changxing seine Anstellung als Schmied; weil es keine andere Arbeit für ihn gab, gründete er ein Unternehmen. „Bald schon verdiente er mehr als der Rest der Familie zusammen. Doch dann kamen auch schon die Beamten und forderten kleine Aufmerksamkeiten von ihm. Als er sich weigerte, ihnen Geld zu geben, schlugen sie seine Schwester krankenhausreif.“ (385) Lai verweigerte nie wieder die Zahlung von Schmiergeldern an Beamte, mehr noch: „Von jetzt an nötigte er ihnen Geld auf, egal ob sie es wollten oder nicht.“ (385) Der Analphabet Lai stieg in den folgenden Jahren zum „roten Tycoon“ in der Hafenstadt Xiamen auf und investierte dort viel Geld, das er als Schmuggler verdiente – und gewann so das Image eines guten Banditen. Während seiner Zeit als China-Korrespondent der New Yorker „Times“ von 1999 bis 2006 recherchierte August diesen Aufstieg und stieß auf ein Netz von korrupten Beamten und Politikern, die diesen Aufstieg ermöglicht hatten. Dazu gehörte der Parteisekretär von Peking Jia Qinglin und seine Frau, die stellvertretende Vorsitzende der Handelskammer war, sowie Li Jizhou, stellvertretender Leiter des Ministeriums für innere Sicherheit. Lai war nach Erkenntnis des Autors nicht nur ein gewöhnlicher Krimineller, sondern wurde von der Politik benutzt: Indem man ihn gewähren ließ, überbrückte man die dreizehn Jahre andauernden Verhandlungen über den Eintritt Chinas zur Welthandelsorganisation – China wollte erst mit diesem Beitritt seine hohen Importzölle abschaffen, für westliche Waren bestand aber längst großer Bedarf. Lai schmuggelte sie also im großen Stil ins Land und musste erst 1999 in dem Zeitraum untertauchen, in dem die Beitrittsverhandlungen erfolgreich abgeschlossen wurden. Während er in Kanada vorübergehend festgenommen wurde, wurden im größten Fall der chinesischen Kriminalgeschichte über 600 Personen zu Gefängnis- und 14 zu Todesstrafen verurteilt (von denen die Hälfte vollzogen wurde). Der Schein war wieder hergestellt. August vermittelt in seinem herausragenden Buch einen direkten Eindruck vom China der Gegenwart.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.68 | 2.2 | 2.22 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Oliver August: Auf der Suche nach dem roten Tycoon. Frankfurt a. M.: 2007, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/27576-auf-der-suche-nach-dem-roten-tycoon_32362, veröffentlicht am 16.08.2007. Buch-Nr.: 32362 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken