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Anja Röcke

Losverfahren und Demokratie. Historische und demokratietheoretische Perspektiven

Münster: Lit 2005 (Region – Nation – Europa 29); 151 S.; brosch., 14,90 €; ISBN 978-3-8258-8544-1
Sozialwiss. Diplomarbeit HU Berlin; Gutachter: H. Münkler, H.-P. Müller. – Seit einiger Zeit wird im Rahmen von Beteiligungsprojekten das Losverfahren angewendet, etwa um Bürger zur Teilnahme an Stadtteilkonferenzen oder Bürgerhaushaltsverfahren zu mobilisieren. Die Autorin nimmt diese Entwicklung zum Anlass, das von Aristoteles einst als demokratische Prozedur bezeichnete Losverfahren in seinen verschiedenen theoretisch-historischen Zusammenhängen zu durchleuchten und sich mit grundlegenden Fragen einer demokratischen Ordnung auseinanderzusetzen. Losverfahren wurden nicht nur im antiken Rom und in mittelalterlichen italienischen Stadtrepubliken angewendet, sondern ebenso bei der Zusammensetzung von Laiengerichten seit dem 18. Jahrhundert. Die Autorin fragt nach der Bedeutung und Funktion des Losverfahrens in dem jeweiligen Kontext und danach, ob es sich, im Unterschied zur Wahl, tatsächlich „aufgrund seines egalitären Grundcharakters als eine genuin demokratische Prozedur beschreiben [lässt]“ (12) Sie verknüpft eine ideengeschichtliche Analyse, die u. a. Texte von Aristoteles, Machiavelli, Sièyes, Tocqueville und Hegel umfasst, mit einer historischen Untersuchung zum Verhältnis von Losverfahren und Demokratie. Außerdem stellt sie die Anwendung des Losverfahrens in zwei aktuellen Beteiligungsprojekten dar. Ihre Untersuchung führt zu interessanten und differenziert dargelegten Erkenntnissen. So wurde das Losverfahren zu der Zeit, als es aus der Politik verabschiedet wurde, im rechtlichen Bereich eingeführt. Außerdem wurde es „stets im Kontext von politischen Krisen- oder Umbruchsituationen eingeführt“, jedoch „nie für das Herzstück politischer Entscheidungen verwendet“ (135). Es könne nicht per se „als demokratisches Verfahren bezeichnet werden“, vielmehr hänge sein politischer Charakter „von der konkreten Verwendungspraxis einerseits und der Anzahl und sozialen Zusammensetzung der ‚loswürdigen’ Bürger andererseits ab.“ (136)
Anke Rösener (AR)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.21 | 5.31 | 5.33 | 5.41 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Anja Röcke: Losverfahren und Demokratie. Münster: 2005, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/26203-losverfahren-und-demokratie_30504, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 30504 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken