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Thomas Meyer

Die Ironie Gottes. Religiotainment, Resakralisierung und die liberale Demokratie

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2005; 135 S.; brosch., 14,90 €; ISBN 3-531-14734-X
„Die Ironie Gottes, so scheint es heute, ist die Resakralisierung des öffentlichen Raumes bei uns und in anderen Ländern Europas in einer Zeit, da eigentlich die Überzeugungskraft der Religion schwindet und ernsthaft bekennende Mehrheiten seit langem nicht mehr in Sicht sind.“ (7) Vor dieser Diagnose entfaltet Meyer seinen Versuch zur Grenzbestimmung zwischen Staat und Religion. Hintergrund der Überlegungen des Dortmunder Politikwissenschaftlers und SPD-Theoretikers ist die bange Frage, wie viel dieser Resakralisierung die liberale Demokratie verträgt, ohne ihre Grundlagen zu gefährden. Die positiven Beiträge der christlichen Kirchen zur Bewahrung demokratischer Werte werden zwar anerkannt. Zugleich wird aber auf die lange Tradition des Widerstandes der Kirchen gegen Demokratie und Menschenrechte verwiesen, die eben keine christlichen, sondern genuin säkulare Werte seien. Insbesondere der jüngere Trend zum „Religiotainment“ bereitet Meyer, der sich in früheren Arbeiten mit dem Einfluss der Medien auf die Politik beschäftigt hat, Sorge. Diese Vermischung von Religionsausübung mit Elementen der Unterhaltungsindustrie, die sich bei den so genannten „Telechurches“ in Nordamerika paradigmatisch beobachten lässt, gefährde die Möglichkeiten rationaler diskursiver Verständigung. Die Beobachtung der ökonomisch vorgehenden Religionssoziologie, dass es auf Religionsmärkten eine verstärkte Nachfrage nach „harter“ Religion und damit einen Trend zur Fundamentalisierung gebe, bestärkt Meyer in seinem kritischen Blick auf die von ihm wahrgenommene Macht der Religionsgemeinschaften. Die These aber, dass die christlichen Kirchen in Deutschland eine „ethische Großmacht“ (120) insbesondere in Fragen der Lebensethik darstellten, ist angesichts der Abtreibungszahlen oder der kompletten Indifferenz weiter Teile der Bevölkerung gegenüber den christlichen Soziallehren eventuell weiter zu diskutieren. Dennoch macht die kenntnisreiche Studie mit ihrem Plädoyer für die säkulare Vernunft des demokratischen Verfassungsstaates auf sehr bedenkenswerte Phänomene aufmerksam.
Sebastian Lasch (LA)
M. A., wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.23 | 2.35 | 5.42 Empfohlene Zitierweise: Sebastian Lasch, Rezension zu: Thomas Meyer: Die Ironie Gottes. Wiesbaden: 2005, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/25394-die-ironie-gottes_29432, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 29432 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken