Skip to main content
Jens Bisky

Die deutsche Frage. Warum die Einheit unser Land gefährdet

Berlin: Rowohlt 2005; 222 S.; 12,90 €; ISBN 3-87134-526-1
Die ökonomische und soziale Zeitbombe Ost werde „zu einer Wunderkerze verniedlicht“ (10), schreibt Bisky, Feuilletonredakteur bei der Süddeutschen Zeitung. In den neuen Bundesländern seien infolge der misslungenen Vereinigung eine „transferabhängige Wirtschaft und eine gefährlich labile Gesellschaft“ (14) entstanden. Statt einer vereinten Gesellschaft existierten zwei Teilgesellschaften in Ost und West. Die gegenwärtige Krise des Landes sei auf diese Entwicklung maßgeblich zurückzuführen – und angesichts dessen sei die Bundesrepublik „in einen Zustand breschnewartiger Lähmung verfallen“ (15). Der Verteilungskonflikt werde patriotisch korrekt beschwiegen. Der Autor stützt seine mitunter am Rand der Polemik und nicht immer überzeugend vorgetragenen Thesen auf eine Beschreibung der wirtschaftlichen Transformation und den fast „kollektiven Ausschluss der Ostdeutschen von der Verfügungs- und Entscheidungsgewalt in der Wirtschaft“ (75). Er fordert, dass die Bewohner der neuen Länder als „Subjekte ihres Geschicks unterstützt“ werden müssen und plädiert in diesem Sinne für einen Neuanfang in Sachen Einheit. Zentrale Aufgaben wären seiner Ansicht nach eine bessere Bildung und der Umbau des Sozialstaates. Die Priorität müsse sich von der wohlfahrtsstaatlichen Sicherheit auf die Risikobereitschaft verschieben. Mit dem Warten darauf, dass mit einem Wirtschaftswachstum alle Probleme verschwänden, vergeudeten die Deutschen nur Mittel und Zeit. Der gegenwärtigen ostdeutschen Identität bescheinigt Bisky vielfach bornierte Züge und stellt fest, dass sich das resignative Verhaltensmuster aus DDR-Tagen aktualisiere. Entstanden sei eine stille Gesellschaft in Duldungsstarre. Was fehle sei der Streit über die verschiedenen Lebensläufe in Ost und West – mit dieser Feststellung hat Bisky ein Kernproblem im Umgang mit der untergegangenen DDR ausgemacht. Für die innere Einheit empfiehlt er schlicht mehr Gelassenheit: „Nur Diktaturen sind auf die Gleichsinnigkeit der Untertanen angewiesen.“ (207)
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.3 | 2.315 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Jens Bisky: Die deutsche Frage. Berlin: 2005, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/24736-die-deutsche-frage_28583, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 28583 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken