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Peter Häberle

Die Erinnerungskultur im Verfassungsstaat. "Denk-Mal"-Themen, Geschichtsorte, Museen, nationaler und universaler Kulturgüterschutz

Berlin: Duncker & Humblot 2011 (Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zur Philosophie, Politik und Geistesgeschichte); 154 S.; 28,- €; ISBN 978-3-428-13563-9
Angesichts der desintegrativen Momente der ökonomischen Globalisierung kann die Legitimation demokratischer Verfassungen nicht ausschließlich auf die Ergebnisse politischer Entscheidungen gegründet werden, sondern ist zunehmend auf die Identifikation der Bürger und Bürgerinnen mit den Werten und Normen der Verfassung angewiesen. Aus dieser Überzeugung heraus widmet sich Häberle der Stellung der Erinnerungspolitik in den Verfassungen ausgewählter Staaten. Im Mittelpunkt steht dabei die Bedeutung, die Erinnerungsinstitutionen wie Museen, Denkmälern, historischen Bauwerken und Preisverleihungen verfassungsmäßig eingeräumt wird. Aus Häberles Sicht sind es u. a. diese Institutionen, die das „präkonstitutionelle Erbe“ (8) und den „kulturellen Humus“ vergegenwärtigen, „die den Typus Verfassungsstaat ‚im Innersten‘ zusammenhalten“ (5), da sie „als Ausdruck des ‚kollektiven Gedächtnisses‘ und nationaler aber zugleich weltoffener Erinnerungskultur“ (153) Menschen dazu auffordern, auf eine spezifische Weise ihre Identität als Staatsbürger und Staatsbürgerinnen zu reflektieren. Häberles detaillierte Gegenüberstellung zwischen der Textentwicklung unterschiedlicher Verfassungen zeigt, dass es insbesondere in lateinamerikanischen Staaten, die um ihre Identität ringen, eine intensive Debatte über eine verfassungsmäßig verankerte, aktive staatliche Erinnerungspolitik gibt. Erstaunlich ist, dass Häberle kaum auf die Probleme der Selektivität, der Partialität und des Machtcharakters eingeht, die mit jeder Repräsentation nationalgeschichtlicher und identitätsstiftender Ereignisse verbunden sind. Hinter seinem Appell an „das Ideal der Wahrhaftigkeit“ (152) in Bezug auf die Erinnerung historischer Ereignisse scheint sich ein überholtes, objektivistisches Geschichtsverständnis zu verbergen. Häberles sozial- und kulturwissenschaftlich orientierte Verfassungslehre leistet dennoch einen wertvollen Beitrag für die Politikwissenschaft, indem sie nach der bisweilen umkämpften Reproduktion der kulturellen Legitimationsressourcen moderner Verfassungen fragt.
Marius Hildebrand (HIL)
M. A., Politikwissenschaftler, Doktorand, Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.21 | 2.23 | 2.61 | 2.65 | 2.32 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Marius Hildebrand, Rezension zu: Peter Häberle: Die Erinnerungskultur im Verfassungsstaat. Berlin: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/21744-die-erinnerungskultur-im-verfassungsstaat_40737, veröffentlicht am 18.08.2011. Buch-Nr.: 40737 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken