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Iwo Amelung / Anett Dippner (Hrsg.)

Kritische Verhältnisse. Die Rezeption der Frankfurter Schule in China

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2009; 442 S.; 39,90 €; ISBN 978-3-593-39009-3
Theodor W. Adorno wäre irritiert und verstört gewesen, konstatiert Axel Honneth, hätte er von der internationalen Konferenz in Frankfurt, deren Beiträge in diesem Sammelband dokumentiert sind, erfahren. Schließlich sei die Theorie des engeren Kreises der Frankfurter Schule ein zutiefst europäisches, wenn nicht gar eurozentrisches Unternehmen. Gerade deshalb ist es ein interessantes Unterfangen der chinesischen und deutschen Autorinnen und Autoren, der Rezeption der Kritischen Theorie in China nachzugehen. Zudem ist es der erste Versuch dieser Art im deutschsprachigen Raum. Neben Habermas sind es vor allem die Werke von Horkheimer, Benjamin, Adorno und Marcuse, die auf Rezeption und Anknüpfungspunkte im asiatischen Raum befragt werden. Zunächst geht es in diesem Sammelband um den Theorietransfer. Hier wird beispielsweise die universalistische Dimension der Frankfurter Denker erörtert oder die Wirkungsgeschichte der Kritischen Theorie in China, Taiwan und Korea betrachtet. Im Anschluss werden Aspekte der chinesischen Moderne mit der Kritischen Theorie konfrontiert. Wie es möglich ist, ein kritisches Vokabular zu entwickeln, mit dem sich der chinesische Autokratismus beschreiben und untersuchen lässt, fragt Zhang Boshu? Jürgen Habermas ist auch ein in China viel beachteter Philosoph, deshalb wird seine Bedeutung für die Volksrepublik gesondert betrachtet. Inwiefern die kommunikative Vernunft relevant ist für das moderne China und wie sich die chinesischen Intellektuellen zu diesem Denker positionieren, sind weitere Fragen des Bandes. Abschließend sind Kunst und Kultur Thema. Dabei kommt es unter anderem zur Begegnung zwischen Adornos Ästhetischer Theorie, einer dezidiert modernen Kunsttheorie, und der traditionsbewussten chinesischen Kalligrafie. Auch die zunehmende sexuelle Liberalisierung in China wird unter der Perspektive von Denkern wie Marcuse oder Fromm betrachtet. Ob Adorno nun begeistert gewesen wäre, ist schwer zu sagen. Kritischen Sinologen und anderen an der Thematik Interessierten ist der Sammelband aber zu empfehlen.
Johannes Jüde (JÜ)
Student, Geschwister-Scholl-Institut, LMU München, Hochschule für Philosophie München.
Rubrizierung: 2.68 | 2.23 | 5.42 Empfohlene Zitierweise: Johannes Jüde, Rezension zu: Iwo Amelung / Anett Dippner (Hrsg.): Kritische Verhältnisse. Frankfurt a. M./New York: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/21711-kritische-verhaeltnisse_37414, veröffentlicht am 27.05.2010. Buch-Nr.: 37414 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken