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Detlef Henning (Hrsg.)

Revolution in Nordosteuropa

Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 2011 (Veröffentlichungen des Nordost-Instituts 6); 215 S.; 29,- €; ISBN 978-3-447-05835-3
Bis zum Zusammenbruch des Ostblocks war das Thema Revolution in der Geschichtswissenschaft durch den ost-westlichen Systemgegensatz geprägt: auf der einen Seite herrschte das Moskauer Paradigma der Oktoberrevolution von 1917 vor und auf der anderen Seite die Sichtweise der westlichen Demokratien. Der Sammelband ist den dadurch vernachlässigten sowohl inhaltlichen als auch geografischen Zwischenregionen in einer erweiterten Perspektive am Beispiel Nordosteuropas gewidmet. In den elf Beiträgen wird Revolution als historischer Grund- und Diskursbegriff kritisch beleuchtet. Darauf aufbauend werden neben den Ursachen, Verläufen und Prozessen auch die jeweiligen nationalen Diskurse um den Revolutionsbegriff in den Länderbeispielen referiert. In den ersten Beiträgen stehen vorrangig die Revolutionen vom ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert im Vordergrund. Dabei werden nicht nur die viel rezipierten „Russischen Revolutionen“ von 1905 und 1917 analysiert, sondern auch die wenig reflektierten nationalen Revolutionen im Baltikum 1926/34 sowie 1940. Hervorstechend im Bereich der osteuropäischen Revolutionsforschung sind die Beiträge mit aktuellerem Gegenwartsbezug. Rudolf A. Mark untersucht die sowjetische Perestrojka als revolutionsgeschichtliche Variante und fragt anhand nationaler Debatten nach den Faktoren und Momenten, die den Ablauf der Ereignisse zwischen 1985 bis 1991 beeinflusst haben, und welche Wandlungsprozesse tatsächlich wirkungsmächtig wurden. Nach den Merkmalen und Prozessen von Revolution forscht auch Daina Stukuls Eglitis in ihrem Beitrag zur Entwicklungsgeschichte Litauens in den 80er- und 90er-Jahren. Im Gegensatz zu Mark hält sie den Revolutionsbegriff im Kontext der Perestrojka für angemessen. Auch vertritt sie die Meinung, dass Litauen im Verlauf des Systemzusammenbruchs eine determinierende Funktion einnahm. Darüber hinaus argumentiert sie, dass das Konzept der Revolution maßgeblich von den Entwicklungen der Umbruchphase des Ostblocks beeinflusst und weiterentwickelt wurde. Sie kommt somit zu dem Ergebnis, dass die antikommunistischen Revolutionen im Ostblock keine Revolutionen im Sinne der Französischen Revolution sind, gleichwohl aber als neuer Revolutionstyp, der eine Linearität historischer Ereignisse umfasst, definiert werden können.
Anja Franke-Schwenk (AF)
Dr. des., wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften (Bereich Politikwissenschaft), Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.25 | 2.22 | 2.61 | 2.62 Empfohlene Zitierweise: Anja Franke-Schwenk, Rezension zu: Detlef Henning (Hrsg.): Revolution in Nordosteuropa Wiesbaden: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/21647-revolution-in-nordosteuropa_40137, veröffentlicht am 12.08.2011. Buch-Nr.: 40137 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken