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Jens Kreutzfeldt

"Point of return". Großbritannien und die Politische Union Europas 1969-1975

Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2010 (Studien zur Geschichte der Europäischen Integration 9); 650 S.; 72,- €; ISBN 978-3-515-09722-2
Geschichtswiss. Diss. Kiel; Gutachter: J. Elvert, C. Cornelißen. - Die britische Europapolitik ist aus Sicht der Öffentlichkeit eher durch Passivität geprägt und durch das Verlangen der britischen Politiker nach Ausnahmeregelungen denn durch Vorschläge zur Weiterentwicklung des europäischen Integrationsprozesses. Kreutzfeldt hat britische Regierungsakten aus den Jahren 1969 bis 1975 eingesehen und zeichnet ein differenzierteres Bild: Der Premier Edward Heath, der ein leidenschaftlicher Europäer und Karlspreisträger war, schrieb 1971 ein geheimes Memorandum an alle Mitglieder seines Kabinetts, in dem er seine Minister aufforderte, europäisch zu denken. Dieses Papier, das den Titel „Think European“ trug, enthielt eine Reihe von administrativen Maßnahmen, mit denen die europapolitischen Zuständigkeiten in der Regierung den Erfordernissen des EG-Beitritts angepasst werden sollten. Es sei Programmen wie diesem zu verdanken, dass Regierungsmaschinerie und Verwaltung in Großbritannien heute weitgehend europäisiert seien. „Die britische Europapolitik der Gegenwart ist, entgegen ihrem Ruf, effizient und hochprofessionell organisiert, sowohl in London wie auch in Brüssel.“ (14) In deutlichem Kontrast stehe die Weigerung der politischen Eliten und der britischen Öffentlichkeit, sich für die Integration stärker zu öffnen. Kreutzfeldt zeigt, dass Beamte in Whitehall in dieser Untersuchungsphase sehr viel weitergehende Überlegungen anstellten wie das etwa im Burrows Report 1974 zum Ausdruck kam. Sie entwickelten eine Vision von einer Europäischen Union, die dem politischen System der heutigen EU erstaunlich ähnelt: Die EG sollte langfristig in eine effiziente Union umgewandelt werden, nationale Souveränität schon im eigenen Interesse über einen point of no return hinaus in der EU der Zukunft geteilt werden. Die Entwicklung in Brüssel sollte im eigenen Sinne gesteuert werden, anstatt diese einfach abzulehnen und gesteuert zu werden, so lautete Heaths Anspruch. Kreutzfeldt stellt fest, dass Heath mit seinem Versuch scheiterte – der politischen Kultur Großbritanniens fällt es bis heute schwer, sich auf langfristige europapolitische Zukunftsvisionen einzulassen.
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 3.73.14.222.61 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Jens Kreutzfeldt: "Point of return" Stuttgart: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/21642-point-of-return_39756, veröffentlicht am 17.05.2011. Buch-Nr.: 39756 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken