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Zygmunt Bauman

Gemeinschaften. Auf der Suche nach Sicherheit in einer bedrohlichen Welt. Aus dem Englischen von Frank Jakubzik

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2009 (edition suhrkamp 2565); 181 S.; 12,- €; ISBN 978-3-518-12565-6
Die Idee der Gemeinschaft ist attraktiv, steht sie doch – im deutlichen Kontrast zur kommerzialisierten und von Konkurrenz geprägten Gesellschaft – für überschaubare, von wechselseitiger Anerkennung und Solidarität getragene Sozialbeziehungen. Allerdings hat das Leben in realen Gemeinschaften – so die kritisch gegen den Kommunitarismus gerichtete These Baumans – einen hohen, in Gestalt von Einschränkungen individueller Freiheit und Autonomie zu entrichtenden Preis. Diese Spannung zwischen dem Faszinosum Sicherheit verheißender Gemeinschaftlichkeit und den Ansprüchen auf freie Selbstentfaltung untersucht der Soziologe in seiner Studie, die im Original 2001 erschienen ist. Für diese Zwecke zeichnet er Schlüsselstationen der kapitalistischen Modernisierung nach. Zunächst die im Zuge der „Großen Transformation“ (Polanyi) erfolgte Unterwerfung bäuerlicher oder handwerklicher Lebensformen unter die Herrschaft der industriellen Produktion, dann die Ausbreitung der arbeitsteiligen Massenproduktion sowie der komplementären Techniken des „social engineering“ und schließlich die Auflösung dieser kollektiven Formen sozialer Bindung in der durch Flexibilisierung und Individualisierung gekennzeichneten Ära des Post-Fordismus. Heute leben wir in globalisierten, strukturell von Unsicherheiten geprägten Gesellschaften, die zugleich von ihren Mitgliedern ein selbst zu verantwortendes Risikomanagement erwarten. Angesichts der wachsenden sozialen Ungleichheiten entsteht damit eine Situation, in der der Anspruch der Individualität zwar für alle gilt, jedoch nur wenige über die ökonomischen Ressourcen verfügen, ihre Lebensbedingungen auch tatsächlich zu kontrollieren. Diese Pathologien einer deregulierten Marktgesellschaft könnten nur gebändigt werden, wenn Gleichheit der Ressourcen und kollektive Absicherungen allen erlauben würde, die Rechte, die sie haben auch faktisch auszuüben. Solange das nicht der Fall ist, kann die Idee der Gemeinschaft ihre trügerische Anziehungskraft entfalten, die vielfach mit dem Ausschluss von Vielfalt verbunden ist.
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.42 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Zygmunt Bauman: Gemeinschaften. Frankfurt a. M.: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/21588-gemeinschaften_35996, veröffentlicht am 29.04.2009. Buch-Nr.: 35996 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken