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Karsten Witt

Wohlfahrt und Freiheit. Eine Kritik an der Rechtfertigung freier Märkte

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2012 (Campus Forschung 957); 258 S.; 29,90 €; ISBN 978-3-593-39614-9
Diss. Köln; Begutachtung: A. Lohmar, M. Quante. – Im Mittelpunkt des Buches steht das schon von John Kenneth Galbraith formulierte Argument, dass die Institutionen von Marketing und Werbung dem Prinzip der Konsumentensouveränität logisch entgegenstehen: Da ihr wesentlicher Zweck ist, Konsumwünsche erst entstehen zu lassen und in bestimmte Richtungen zu steuern, kann per definitionem kein Zustand herrschen, in dem sich die Produktion an authentische, frei formulierte Konsumwünsche und -muster anpasst. Dies entkräftet aber die zentrale Annahme der Wohlfahrtsökonomik (darunter versteht Witt den Teil der neoklassischen Ökonomik, der sich mit Fragen nach der effizienten Allokation von Gütern auseinandersetzt), der zufolge freie Märkte die bestmögliche institutionelle Wirtschaftsform darstellen, um eine effiziente Anpassung der Produktion an die Bedürfnisse freier Konsumenten zu ermöglichen. Somit würde erst ein Verbot oder die Regulierung der Werbebranche (und damit die Abkehr vom freien Markt) die erwünschte Konsumentensouveränität ermöglichen – freier Markt und Konsumentensouveränität sind aus dieser Sicht unvereinbar. Um dieses hier vereinfacht zusammengefasste Argument geht es in Witts Dissertationsschrift, in der er die neoklassische Theorie von ihren Anfängen über ihre Erweiterungen bei John Stuart Mill bis hin zu aktuellen Auslegungen auf ihre Stichhaltigkeit überprüft – sein Vorgehen betitelt er dabei als „Methode der internen Kritik“ (28). Damit hebt er sich auf interessante Weise von gängigen Kritikmustern am Neoliberalismus (ein Begriff, den er aufgrund seiner terminologischen Uneindeutigkeit zu Zwecken der Analyse ablehnt) ab, die vor allem auf die gesellschaftlich unerwünschten Konsequenzen (soziale Ungerechtigkeit, mangelnde volkswirtschaftliche Effizienz usw.) zielen. Stattdessen bemüht er sich, möglichst viele Grundannahmen der neoklassischen Theorie zu übernehmen und auf diese Weise ihre inneren Widersprüche aufzudecken. Ansprechen will der Autor damit vor allem Studierende und Lehrende der Wirtschaftswissenschaften, da aus diesen Kreisen „Multiplikatoren wohlfahrtsökonomischer Ideen“ hervorgehen und politisch wirkmächtig „für ihre weitere Verbreitung“ (28) sorgen. Allgemein richtet sich das Buch an Vertreter der politischen Ökonomie sowie an alle, die an einer ethisch-moralischen Auseinandersetzung mit der herrschenden Wirtschaftsdoktrin interessiert sind.
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
Rubrizierung: 5.45 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Karsten Witt: Wohlfahrt und Freiheit. Frankfurt a. M./New York: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/14907-wohlfahrt-und-freiheit_42571, veröffentlicht am 22.11.2012. Buch-Nr.: 42571 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken