Der Augenblick der Entscheidung. Zur Geschichte eines politischen Begriffs
Politikwiss. Diss. Hamburg; Gutachter: C. Jakobeit, M. Greven. – Was ist gemeint, wenn vom „Augenblick der Entscheidung“ die Rede ist? Conrad thematisiert den politikrhetorischen Gebrauch dieser Formulierung, die als klarer Begriff sowie als Metapher verwendet wird, indem er begriffshistorische Verschiebungen an ausgewählten Denkern – Kierkegaard, Augustinus, Ignatius von Loyola, Schmitt, Arendt, Derrida, Luhmann und Agamben – herausarbeitet. Bereits diese Auswahl zeigt, dass Conrad die begriffsgeschichtliche Verschiebung nicht als ein bloß akademisches, sondern als ein allgemein philosophisches, literarisches und – vor allem – theologisches Problem diskutiert. So lautet seine These, dass der „Augenblick der Entscheidung“ zunächst bei Kierkegaard eine primär theologische Bedeutung besitzt, in der Zwischenkriegszeit politisch uminterpretiert und säkularisiert wird, zugleich aber weiter auf theologische Implikationen metaphorisch Bezug nimmt. Dieses für die Weimarer Zeit so typische Pathos wird nach 1945 selbst problematisiert: „Entscheidung“ soll nun rationale Wahl mit demokratischer Legitimation bedeuten, wobei diese Bestimmung allein den metaphorischen Gehalt des „Augenblicks der Entscheidung“ nicht fassen kann, wie Conrad im Anschluss an Derrida, Luhmann und Agamben feststellt. So lässt sich zwar von einer Säkularisierung des Begriffs sprechen, die sich aber bei genauerem Hinsehen als „die Umlenkung der theologischen Metaphorik“ (171) herausstellt.