Von der Solidarité zur Solidarität. Ein französisch-deutscher Begriffstransfer
Diss. Potsdam. - Anders als in politischen Auseinandersetzungen spielt der Begriff der Solidarität in theoretischen Debatten der Sozialwissenschaften keine zentrale Rolle. Das liegt auch an der häufig betonten Vieldeutigkeit des Begriffs selbst, und der Autor unterstreicht zu Recht, dass eine „Geschichte des Begriffs ‚Solidarität' [...] nur als eine Geschichte im Plural konzipiert werden“ kann (11). Für eine derartige Geschichte - bezogen auf die Übernahme des Begriffs von Frankreich nach Deutschland - verbindet Fiegle im Anschluss an Koselleck einen modifizierten begriffsgeschichtlichen Ansatz mit dem eines Kulturtransfers. Konzeptionell unterscheidet sich dieser Forschungsansatz deutlich von anderen der vergleichenden Kulturwissenschaften, weil hier schon methodologisch die Perspektive einer eindeutigen Einfluss- bzw. Rezeptionsgeschichte aufgegeben wird. Der Autor folgt dieser Linie, indem er zunächst die Verwendung des Begriffs im französischen (Leroux, Bourgeois, Durkheim - Teil I) und anschließend im deutschen Kontext (Kant, Hegel, Stein, Marx - Teil II) rekonstruiert. Dabei zeigt sich, dass die Entwicklung des Begriffs einen zweifachen Transfer aufweist: „erstens den Transfer vom französischen Frühsozialismus zu den Junghegelianern, zweitens den Transfer vom französischen Solidarismus zum katholischen Solidarismus in Deutschland“ (29).