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G20 in Hamburg. Über die Entwicklung, Formen und Inhalte von Gipfeldiplomatie

24.09.2018
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Sabine Steppat, Dipl.-Politologin

 

Am 1. Dezember 2016 hat die Bundesrepublik für ein Jahr die deutsche G20-Präsidentschaft übernommen. Den Höhepunkt wird das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in Hamburg bilden, es bildet auch den Anlass für diesen Themenschwerpunkt.

Über die Vorgeschichte der G20-Treffen informiert eine Auswahl an Kurzrezensionen. So bezeichnet Enrico Böhm die G7-Gipfel als ein Kind der Krise und beschreibt die Entwicklung der ersten sieben Gipfel zwischen 1975 und 1981. Eine Chronik der historischen Entwicklung von der G7 über die G8 zur G20 bietet Marek Rewizorski. Letztere sei mittlerweile eine „zentrale Leitstelle globaler wirtschaftlicher Kooperation“ und habe sich zum „wichtigsten Zentrum“ von Global Governance entwickelt. Außerdem geht es in weiteren Rezensionen um Widerstand und Repression im Zuge der Gipfel sowie um die wichtige Frage nach der Legitimität informaler internationaler Zusammenschlüsse.

Auch Stefan Kroll widmet sich in seinem Beitrag dieser Frage und setzt sich außerdem mit der Form der Treffen auseinander. Da die Beschlüsse der G20 rechtlich nicht bindend seien, mangele es ihr an Autorität, konstatieren Kritiker. Andere Beobachter gehen hingegen von einem erweiterten Verständnis von Informalität aus und sehen in den Gipfeltreffen eine eigenständige Form institutionalisierter Kooperation, die keineswegs unverbindlich sei und Vorteile biete. Das informelle Format ermögliche das kollektive Management internationaler Herausforderungen. Die G20 reklamiere für sich, im Interesse aller Staaten zu handeln, schreibt Stefan Kroll, weshalb sie kein Forum von Egoisten sei. Zudem befinde sie sich in einem Prozess der inhaltlichen Erweiterung. Allerdings werden die Potenziale bisher nicht ausgeschöpft, so die These Krolls, obwohl die Treffen die Möglichkeit für persönliche Gespräche wichtiger Staatschefs bieten und damit zur Anbahnung von neuen Lösungsansätzen für Krisen dienen können.

Wie sehr die Einschätzungen zur Rolle der G20 in der Krise divergieren, arbeitet Björn Wagner in einer Sammelrezension heraus. Im Mittelpunkt stehen die Bücher von Jonathan Luckhurst und Roman Goldbach, die die infolge der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise ausgelösten Veränderungsprozesse im Hinblick auf die Regulierung der globalen Finanzmärkte untersuchen. Dabei habe sich die G20, so Luckhurst, zu einem Knotenpunkt globaler Netzwerke entwickelt. Eher kritisch sieht Goldbach die verstärkte Transnationalisierung der Regulierung von Finanzmärkten: Mehr Kooperation führe nicht automatisch zu effektiverer Regulierung, diese stärke eher die Interessen transnational agierender privatwirtschaftlicher Akteure.

Um die Einbindung zivilgesellschaftlicher Gruppen beim G20-Gipfel in Hamburg geht es in dem Beitrag von Christa Randzio-Plath. Wie gestaltet sich der Meinungsbildungsprozess der Nichtregierungsorganisationen auf der Ebene der G20-Staaten? Welche Themen stehen auf der Tagesordnung? Die Umsetzung der Agenda 2030, ein „nicht selbstverständlicher Glücksmoment internationaler Verständigung“, werde, so ihre Prognose, dabei ein wichtiges Thema sein.
Weitere Beiträge folgen.

In einem Interview mit der Redaktion geht die Politikwissenschaftlerin Jennifer Gronau unter anderem auf das Konzept und den Prozess der Selbstlegitimation der G20 ein und identifiziert dabei drei Modi, die sie im Zeitverlauf untersucht. Grundsätzlich hält Gronau transnationale Kooperation zwar für absolut notwendig, doch ist sie nicht davon überzeugt, dass mit der G20 das bestmögliche Forum besteht – das gilt sowohl im Hinblick auf die Zusammensetzung und die Interessenvertretung von Menschen als auch für die gefundenen Lösungen für die Probleme unserer Zeit.

„Etwas Besseres als die G20 haben wir nicht, wenn es darum geht, die Welt zu regieren. Denn nur dieses Gremium von Staats- und Regierungschefs ist von seiner Zusammensetzung her wie thematisch breit genug aufgestellt, um dem Anspruch des Weltregierens gerecht zu werden“, schreibt Hanns W. Maull. Sie sei aber keine Weltregierung. Wie problematisch das Format der G20 ist und wie begrenzt ihre Erfolge sind, zeigt eine Auswahl an Stellungnahmen verschiedener Wissenschaftler*innen.

Eine Bilanz der deutschen G20-Präsidentschaft zieht der Berater der Bundeskanzlerin Lars-Hendrik Röller. Die G20 habe 2017 inhaltlich an drei Themenkomplexen gearbeitet: Stabilität sichern – Zukunftsfähigkeit verbessern – Verantwortung übernehmen. Das Format habe sich auch angesichts der Herausforderungen des Jahres 2017 bewährt. Das Bekenntnis für den Multilateralismus finde sich in allen Themenbereichen.

Zwar habe sich die G20 in Hamburg als flexibel genug gezeigt, um angesichts der Blockadehaltung der Trump-Administration unter anderem in der Klimapolitik nicht zu scheitern. Die Präsidentschaft Deutschland sei damit als ein diplomatischer Erfolg zu werten, schreibt Jann Lay. Ob dieser allerdings unter der nächsten Präsidentschaft Argentiniens fortgesetzt werden könne, sei angesichts der angekündigten Agenda zweifelhaft. Lay betont aber, dass schon jetzt die gegenwärtige Kooperation nicht ausreiche, um die dringenden globalen Probleme zu lösen.

 

 

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