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Destruktiv statt disruptiv. Umwelt – Handel – Zölle – Steuern: Wem nützt die „America First“-Politik?

16.07.2018
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Natalie Wohlleben, Dipl.-Politologin

Sojabohnen Cambria IndianaChina hat seinerseits mit Zöllen auf die von Trump erlassenen Strafmaßnahmen reagiert, unter anderem auf Sojabohnen. US-Farmer fürchten nun, dass ihre Produkte für den chinesischen Markt zu teuer geworden sind und durch Einfuhren aus Brasilien ersetzt werden. Foto: Feld mit Sojabohnenpflanzen, aufgenommen bei Cambria (Indiana) von Huw Williams (Wikimedia Commons, Link).

 

„America first“ und „Make America great again“ lauteten die simpel formulierten Wahlkampfversprechen von Donald Trump, in Aussicht gestellt wurde damit auch, eine eigene Antwort auf die Globalisierung der Wirtschaft zu finden: eine Absage. Allen Regeln, die den Gewinn US-amerikanischer Unternehmen schmälern könnten, wurde damit der Kampf angesagt, eine der ersten Maßnahmen war die Ankündigung, dass sich die USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen zurückziehen werden, an die Spitze der United States Environmental Protection Agency (EPA) setzte Trump einen (inzwischen schon wieder zurückgetretenen) Gefolgsmann, der aus seiner Unterstützung der Kohleindustrie nie einen Hehl gemacht hatte. Die Wahl gewonnen hatte Trump allerdings (natürlich) nicht mit der Ankündigung, den Unternehmen und Reichen zu noch mehr Gewinn zu verhelfen, sondern mit dem Versprechen an die (weiße) untere Mittelschicht, ihre Jobs zu sichern oder, falls schon verloren, zurückzuholen. Gerade im Rust Belt erzielte er damit eine hohe Zustimmung. Im Mingo County, einem Kohlerevier in West Virginia, erhielt er 84,9 Prozent der Wählerstimmen, in Harlan County (Kentucky) 84,9 Prozent, wie Jedediah Purdy rekapituliert. Und was die Menschen dort mehrheitlich an Politik gewählt haben, erhalten sie nun auch, wie Purdy in seinem Essay über den Anspruch des Trump’schen Nationalismus auf die amerikanische Natur aufzeigt: Aus zwei Nationalparks sind riesige Flächen herausgelöst und für den Kohleabbau freigegeben worden. Der Trumpismus transformiert sprichwörtlich die Landschaft – allerdings, so Purdy, ohne eine Antwort auf die Frage zu haben, welche Zukunft die Menschen in eben dieser Landschaft nach dem absehbaren Ende des Kohlezeitalters haben werden.

Die Zurückgewinnung dieser Jobs kann also historisch gesehen zwangsläufig nur für eine sehr kurze Zeitspanne gelingen. Trifft das auch für die Arbeitsplätze zu, die durch Aufkündigung multilateraler Vereinbarungen und die Erhebung von Zöllen auf Importprodukte zurückgewonnen werden sollen? Zunächst einmal wäre zu klären, ob tatsächlich alle Arbeitsplätze, die in den vergangenen Jahren weggefallen sind, „abgewandert“ oder nicht schlicht der Automatisierung zum Opfer gefallen sind. Aus ersten Prognosen über eine Rückkehr der Produktion in die USA hat sich denn auch herauslesen lassen, dass damit eine nächste Welle der Automatisierung verbunden sein wird.

Als ein zentrales Mittel, um die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern, gilt der Trump-Administration ein Ausgleich der US-Handelsbilanz, wobei ihre Politik von verschiedenen Experten in dreierlei Hinsicht grundsätzlich kritisiert wird: Zum einem würden die Fertigungsketten, die sich oft über mehrere Länder erstreckten und bei denen in China eine manchmal nur minimale Endfertigung stattfinde, als solche ignoriert und die Produkte fälschlicherweise als allein „made in China“ begriffen (ganz zu schweigen von Produkten wie dem IPhone, die als US-amerikanische Marke gelten, aber in Asien gefertigt werden, siehe unter anderem die Analysen von Ryan Hass und William A. Reinsch). Zweitens ziehe die Trump-Administration tatsächlich nur einen Teil der Handelsbilanz heran, um ihre Politik zu rechtfertigen, ignoriere aber den US-Überschuss bei den Dienstleistungen (siehe Beitrag von Philippe Legrain). Vor allem aber, drittens, schenke sie den Kapitalströmen keine Beachtung, die die Grundlage für die US-Handelsbilanz bilden, wie unter anderem David Frum schreibt: Das Geld fließe in die USA und zwar zu einem großen Teil aus China – was wiederum zu verstehen sei als Unglaube der chinesischen Investoren in die eigene Wirtschaft. So gesehen muss man sich nach Frum um China sorgen, nicht um die USA.

Dennoch hat die Trump-Administration mit erhöhten Zöllen zunächst auf chinesische Waschmaschinen und Solaranlagen einen Handelskrieg begonnen, es folgten unter anderem Strafzölle auf Stahl und Aluminium, auch aus Europa, Kanada und Mexiko – ungeachtet der Tatsache, dass einige Spezialprodukte aus Aluminium nur in Europa gefertigt und also dort von US-amerikanischen Unternehmen gekauft werden müssen. Damit haben sich nun zunächst deren Produktionskosten erhöht, am Ende steht der Verbraucher vor höheren Preisen für die Endprodukte. Sollten diese weniger als zuvor gekauft werden, würden sogar Jobs verloren gehen. Der Job-Saldo könnte schließlich negativ ausfallen. Für großes Aufsehen hat bereits eine ebenfalls nicht-intendierte Folge der Zölle gesorgt: Da China und Europa die Strafzölle mit Zöllen auf US-amerikanische Produkte beantworten, hat das Unternehmen Harley-Davidson, dessen zweitwichtigster Markt Europa ist, angekündigt, Teile der Produktion nach dort zu verlagern. Außerdem bangen viele US-Farmer nun, ob sich ihre Sojabohnen weiterhin nach China verkaufen lassen.

Teile der USA, auch der Unternehmerschaft, fühlen sich weiterhin mit den europäischen Staaten als langjährige, verlässliche Partner verbunden. Trump selbst aber hat schon die Meinung vertreten, die EU sei „genauso schlimm wie China“ – und bei dem Erlass von Strafzöllen dann eben auch keinen Unterschied zwischen, zugespitzt, Freund und Feind gemacht. Jeremy Shapiro erklärt diese befremdliche Haltung damit, dass die Administration keine strategische Vision für Europa habe, sogar geradezu desinteressiert sei. Trumps außenpolitische Prioritäten lassen sich demnach unter die drei Stichworte Handel, Einwanderung und Terrorismus fassen, bei jedem Miteinander sollen die USA – „America first“ – ihren Vorteil herausziehen können.

Damit steht die Handelspolitik gegenüber der EU im Kontext einer Politik, die unter Absage an multilateralen Vereinbarungen am Eigennutz ausgerichtet ist. In verschiedenen Analysen wird vor den absehbaren Konsequenzen dieser Politik gewarnt: Die USA sind dabei, ihren globalen Führungsanspruch zu verspielen. Somit treten sie von ihrer Rolle als Garant der liberalen Ordnung zurück – dabei handelt es sich nicht mehr nur um eine Prognose, die USA verschleppen momentan die Neubesetzung von wichtigen Ämtern bei der Welthandelsorganisation (WTO) und sind so dabei, das Gremium zur Beilegung von Handelsstreitigkeiten lahm zu legen (siehe den Beitrag von Mathew Oxenford). Nutznießer dieser Entwicklung könnte, so die immer wieder gelesene Warnung, China sein, das gerade mit seiner „Belt and Road“-Initiative in Asien, im pazifischen Raum, Afrika und Europa neue wirtschaftliche und politische Bindungen knüpft.

Was bedeutet die gesamte Entwicklung nun für die US-amerikanischen Arbeiter und Angestellten, denen Trump sichere Jobs versprochen hat? Momentan brummt die Wirtschaft, meint David Dollar, vor allem dank der Steuerreform, die Folgen der Strafzölle seien momentan nur etwas Sand im Getriebe. Verschiedene Experten, etwa von der Stiftung Wissenschaft und Politik sowie der Brookings Institution, gehen aber davon aus, dass die Steuerreform nur kurzfristig positive Effekte auslösen wird, mittel- und langfristig werden nur die Reichen und die Unternehmen profitieren, angelegt sei eine Umverteilung von unten nach oben, von jungen zu alten Menschen. Die Staatsverschuldung wird steigen und die nächsten Generationen belasten. Die Umwelt-, Wirtschafts-, Steuer- und Handelspolitik der Trump-Administration hat nach Einschätzung von Paul Krugman anders als versprochen keinen Investitionsboom ausgelöst, die Folgen des gerade begonnenen Handelskriegs seien zudem noch nicht abzusehen. Ein nachhaltiger, zukunftsfähiger Aufschwung zeichnet sich nicht ab.

Die Beiträge sind in aufsteigender Chronologie sortiert.

 

Marianne Schneider-Petsinger
Trade Policy Under President Trump: Implications for the US and the World
Chatham House, Research Paper, 3. November 2017

Nachdem die USA jahrzehntelang die internationalen Wirtschaftsbeziehungen geprägt hatten, haben sie sich unter Präsident Donald Trump von ihrer Vorreiterrolle im Bereich der Freihandelsabkommen und multilateralen Absprachen verabschiedet, so die Feststellung der Autorin. Mit seiner Politik reagiere Trump zunächst auf die Wahrnehmung vieler seiner Wähler, zunehmend wirtschaftlich abgehängt zu sein. In den ersten Monaten habe Trump rhetorisch einen Politikwechsel angekündigt, die tatsächliche Politik seiner Administration sei zunächst eher moderat ausgefallen. Zu den gravierendsten ersten handelspolitischen Entscheidungen habe der Rückzug aus der Trans-Pacific Partnership (TTP) sowie die Entscheidung gehört, das North American Free Trade Agreement (NAFTA) neu zu verhandeln. Die Zukunft eines Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union sei nun völlig ungewiss. Zentrales Ziel sei es, das Handelsdefizit der USA zu verringern – erstaunlicherweise seien aber zunächst Maßnahmen gegen China ausgeblieben. Ohne die Führungsrolle der USA drohe der Ausbau freier globaler Handelsbeziehungen ins Stocken zu geraten.

 

Laura von Daniels
Trumps Wirtschaftspolitik im Zeichen der Midterm Elections
Stiftung Wissenschaft und Politik, Dezember 2017

„Im November 2018 geben die US-Wählerinnen und -Wähler bei den Midterm Elections das erste Mal ihr Votum darüber ab, wie zufrieden sie mit ihrem Präsidenten, Donald Trump, und der Republikanischen Regierung sind. Im Vorfeld dieser Wahlen zum US-Kongress, die nach der ersten Hälfte der Amtszeit des Präsidenten stattfinden, gerät Trump zusehends unter Druck: Er muss politische Erfolge vorweisen. Das gilt nicht nur, aber vor allem auch für jene Wirtschaftsthemen, mit denen er im Präsidentschaftswahlkampf punkten konnte: massive Steuersenkungen, eine aggressive Handelspolitik und die Deregulierung der Finanzmärkte. Trump könnte versuchen, mit einer harten Linie in der Außenpolitik und wirtschaftlichen Muskelspielen, auch gegenüber Partnerländern, sein Profil als durchsetzungsstarker Staatsmann zu schärfen. Im Wahlkampfjahr 2018 müssen sich die EU und Deutschland daher auf außen- und wirtschaftspolitische Konflikte mit den USA einstellen. Unmittelbar negativ würden sich US-Strafzölle auf europäische Stahlimporte und neue US-Sanktionen gegen Russland und Iran auswirken. Langfristig schaden könnten der EU die geplante Steuerreform, die politische Vereinnahmung der Geldpolitik und die Aussetzung strenger Finanzregeln.“ (Kurzfassung, 1)

 

Laura von Daniels im Interview
US-Steuerreform: „Historisch ungerecht“
heute.de, 20. Dezember 2017

Mit der Steuerreform sei es Trump zum ersten Mal gelungen, ein groß angekündigtes Vorhaben politisch umzusetzen, aber, so Laura von Daniels weiter: „Die Reform ist historisch ungerecht, in dem Sinne, dass sie Großunternehmen und besonders reiche Individuen besonders begünstigt. Zwar sinken ab 2018 auch für Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen die Steuern. Familien mit Kindern profitieren außerdem von pauschalen Freibeträgen. Aber diese Vergünstigungen sind zeitlich begrenzt bis zum Jahr 2025. Die Steuererleichterungen für Unternehmen sind hingegen dauerhaft.“ Unter Steuerexperten unstrittig sei die Einschätzung, dass mit dieser Reform eine Vermögenumverteilung von unten nach oben sowie von den Jungen zu den Alten stattfinde, zudem würden städtische Ballungsräume mit relativ hohen lokalen Steuern benachteiligt. Belohnt werden solle so Trumps Anhängerschaft, tatsächlich werden weite Teile von ihnen die Kosten dieser Reform zu tragen haben.

 

Ryan Hass
Time to rethink U.S. trade strategy in Asia
Brookings Institution, Order from Chaos, 20. Februar 2018

Mit ihrem wirtschaftspolitischen Kurs gegenüber Asien steuere die Trump-Administration auf ein Eigentor zu, schreibt Ryan Hass. Mit ihren Vorhaben, neue bilaterale Handelsabkommen abzuschließen (Südkorea) sowie die außenwirtschaftspolitischen Beziehungen grundsätzlich neu zu justieren (China), stießen die USA auf Ablehnung. Auch sei weder der Rückzug aus dem Trans-Pacific Partnership (TPP) kompensiert noch das North American Free Trade Agreement (NAFTA) neu ausgehandelt worden. Es habe sich gezeigt, dass Trump ein grundlegendes Verständnis der Bedingungen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, einschließlich der existierenden Wertschöpfungsketten, fehle. Das Verhalten der USA führe nun aber dazu, dass sich die Länder im asiatisch-pazifischen Raum verstärkt auf eine regionale Zusammenarbeit konzentrierten. Die USA seien nur noch Beobachter an der Seitenlinie.

 

Michael Pettis
Protectionism Can’t Fix Trade Imbalances
Carnegie Endowment for International Peace, 25. Januar 2018

Die Trump-Administration habe mit dem Ziel, das Handelsdefizit der USA gegenüber China zu reduzieren, in einem ersten Schritt Zölle auf Solaranlagen und Waschmaschinen angekündigt. Bei der Frage, ob derartige Maßnahmen zielführend sind, sollte nach Ansicht von Michael Pattis überprüft werden, wie Protektionismus Kapitalströme beeinflusst – diese seien entscheidend, nicht der Umfang importierter Waren. Angesichts der Tatsache, dass in die USA weiterhin die Hälfte der weltweit überschüssigen Ersparnisse fließe, hätten sie gar keine andere Wahl als mit einem Handelsdefizit zu leben – eine wirkungsvolle politische Steuerung hätte an diesem Punkt anzusetzen.

 

Laura von Daniels
US-Strafmaßnahmen gegen China gefährden die globale Handelsordnung
Stiftung Wissenschaft und Politik, 5. Februar 2018

„Mit dem Erlass von Strafzöllen auf importierte Solar-Module und Waschmaschinen öffnete Washington Mitte Januar Tür und Tor für protektionistische Forderungen aus anderen Teilen der US-Wirtschaft. Dem Beispiel des US-Waschmaschinenherstellers Whirlpool, der aktiv Werbung für Strafzölle gegen ausländische Konkurrenzprodukte machte, könnten bald Hunderte Unternehmen in den USA folgen und den Druck auf die US-Regierung erhöhen, weitere protektionistische Maßnahmen zu ergreifen. Von diesen wäre vor allem China als wichtigster US-Handelspartner im Bereich von Konsumgütern betroffen.“ Zudem werde über Importbegrenzungen und Strafzölle auf Stahl und Aluminium diskutiert, diese Maßnahmen würden auch Deutschland und der EU als Ganzer schaden. Abzusehen sei, dass die Trump-Administration sich dabei nicht darum bemühe, die neuen Zölle WTO-konform zu gestalten.

 

Astrid H. M. Nordin / Mikael Weissmann
Will Trump make China great again? The belt and road initiative and international order
International Affairs, Volume 94, Issue 2, 1. März 2018, S. 231–249

Unter seinem Präsidenten Xi Jinping arbeite China auf eine internationale Führungsrolle hin, wie sich deutlich an der „belt and road initiative“ ablesen lasse. Verknüpft werden sollen in verschiedenen Bereichen wie Politik, Handel und Finanzen die Menschen und Regierungen in Asien, im Südpazifik, in Ostafrika und Europa – es wäre ein vernetzter Kapitalismus, der die nationalen Einheiten unberührt ließe. Chinas Versuch, sich in diesem Modell als Wegbereiter zu profilieren, könnte ausgerechnet durch die protektionistische Politik der Trump-Administration, die sich nur noch um das eigene Land kümmern will, erfolgreich sein. Der US-Rückzug aus dem TTP habe China den Weg geebnet.

 

Erik Brattberg
Trump’s Tariffs Undermine U.S. Leadership
Carnegie Endowment for International Peace, 14. März 2018

Mit dem Erlass von Zöllen auf Stahl und Aluminium versuche Trump mit den politischen Mitteln des 19. Jahrhunderts den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen, meint Erik Brattberg. Dieser Rückfall in den Nationalismus aber werde der US-Wirtschaft keine Vorteile verschaffen, sondern nur die internationale Führungsrolle der USA gefährden. Die EU-Staaten, eigentlich enge Verbündete, berieten nun über Gegenmaßnahmen, die vor allem die Regionen treffen sollen, in denen Trump seine Wählerschaft habe. Nutznießer dieser Spannungen zwischen den USA und der EU sei China. Zum Schaden aller aber sei nun das WTO-System angeschlagen, in dem die USA ihre Führungsrolle gerade verlören.

 

Edward Alden
The Trump Tariffs on China: A Perilous Moment
Council on Foreign Relations, 22. März 2018

Die Ankündigung der USA, auf chinesische Waren Zölle in Höhe von 60 Milliarden US-Dollar zu erheben, sei schockierend, komme aber nicht unerwartet. Allerdings sei ungewiss, wie es nun weitergehe: Führen die Zölle zu einem heilsamen Schock und wird China klar, dass es seine Handelsbeziehungen fairer gestalten muss? Oder kommt es zum negativen Szenario – was wahrscheinlicher sei –, in dem sowohl die Beziehungen zwischen den USA und China als auch die Weltwirtschaft Schaden nehmen? Edward Alden hält es für dringend geboten, dass die USA offen und deutlich aussprechen, was genau sie von China erwarten. Außerdem sollten beide Länder ihre handelspolitischen Gespräche erneut aufnehmen. Dabei sollten die USA verdeutlichen, dass sie faire Handelsbeziehungen und keinen Konflikt anstreben. Blieben die USA in der Formulierung ihrer politischen Erwartungen zu passiv, sei zu erwarten, dass sich China Ländern zuwende, die ebenfalls von protektionistischen Maßnahmen der Trump-Administration betroffen seien.

 

William A. Reinsch
The Chinese are Coming! The Chinese are Coming!
Center for Strategic & International Studies, 9. April 2018

William A. Reinsch, der 15 Jahre lang Präsident des National Foreign Trade Council gewesen ist, erläutert die Fehlannahmen Trumps in seinem wirtschaftspolitischen Vorgehen gegen China, das einer zu simplen Logik folge. Die Annahme, man könne die Volksrepublik mit Strafzöllen empfindlich treffen, weil sie mehr Waren in die USA verkaufe als umgekehrt, verkenne die Bedeutung der weltweiten Fertigungsketten vieler Produkte. Auch könne China als Reaktion US-Firmen, die sich dort engagierten, das Leben schwer machen oder nicht bei der Lösung des Konflikts mit Nordkorea kooperieren. Anders als von Trump suggeriert, sei ein Handelskrieg nicht mit Maßnahmen wie Zöllen zu gewinnen.

 

Mark Muro / Jacob Whiton / Robert Maxim
How China’s proposed tariffs could affect U.S. workers and industries
Brookings Institution, 9. April 2018

Präsident Trump setzt bei seinem Feldzug gegen den Freihandel auf Strafzölle, um den US-amerikanischen (Arbeits-)Markt zu schützen. Tatsächlich ist dieser aber eng mit der globalisierten Wirtschaft verflochten, wie die Autoren zeigen: „Altogether, we count some 2.1 million jobs in the 40 industries that produce products now slated for possible tariffs, and see a wide variation in the type and number of exposed jobs in those industries.” Sie zeigen in Übersichtskarten auf, welche Regionen und Branchen insbesondere unter den Handelshemmnissen zu leiden hätten, die die VR China als Antwort auf die von Trump angekündigten Strafzölle in Aussicht gestellt hat: Insbesondere die Wählerschaft von Trump werde die Auswirkungen des Handelskriegs zu spüren bekommen. „In the meantime, however, the intimation of the map is simpler: President Trump’s actions on trade are no longer just talk; they could soon have real implications for real jobs in real local economies.”

 

Philippe Legrain
Trump thinks he has a strong hand. In fact, Washington is far more vulnerable than Beijing
Foreign Policy, Argument, 13. April 2018

Trump irre sich bei der Annahme, aus einer Position der Stärke heraus Strafzölle gegen China zu verhängen – zumal seine Zahlen über das Handelsdefizit der USA nicht korrekt seien: Dies sei mit 337 Milliarden Dollar (2017) geringer ausgefallen als von ihm angegeben und gelte zudem nur für Güter. Im Bereich der Dienstleistungen dagegen hätten die USA im gleichen Zeitraum einen Überschuss von 38 Milliarden Dollar erzielt. Philippe Legrain verweist wie andere Autoren vor ihm zudem auf die über mehrere Staaten verteilten Fertigungsketten: So seien tatsächlich nur drei bis sechs Prozent der Bestandteile des vermeintlich in China hergestellten IPhone X dort auch hergestellt, das gesamte Produkt firmiere zudem als eine US-amerikanische Marke. Auch sollten die USA nicht vergessen, dass von ihnen hergestellte Waren, die in die Volksrepublik verkauft würden, von China durch die von Herstellern anderer Länder ersetzt werden könnten – statt bei Boeing könnte China Air die nächsten Flugzeuge bei Airbus bestellen.

 

Edward Alden
Trump's China Deal is the Worst Ever
Council on Foreign Relations, 22. Mai 2018

In den Handelsgesprächen mit China habe die Trump-Administration vor allem nur darauf gedrungen, dass es landwirtschaftliche Produkte und Energie in den USA einkaufe – dieses Verhandlungsziel zeige das ganze Unvermögen der Regierung, ihre Ansprüche an faire Handelsbeziehungen auszuformulieren. Trump scheine es überhaupt an einem handelspolitischen Drehbuch zu fehlen.

 

Erik Brattberg
Why Trump’s Tariffs May Push Europe Toward China and Russia
Carnegie Endowment for International Peace, 3. Juni 2018

Die neuen Strafzölle, die nun Europa treffen, unterminierten die transatlantischen Beziehungen und eröffneten für Russland und China die Möglichkeit, ihren Einfluss zu vergrößern, warnt Erik Brattberg. Auch die einseitige Aufkündigung des Atomabkommens mit Iran habe bereits dazu geführt, dass die EU und europäische Spitzenpolitiker ihre Gespräche mit Russland und China intensivierten. „In short, by picking the wrong fights – and going about the right fights in the wrong way – Trump is undermining vital U.S. national interests of containing China and Russia. At the core of the problem is an inability to distinguish between America’s friends and adversaries.”

 

Mathew Oxenford
Trump’s Tariffs Presage a World With No Rules
Chatham House, Kommentar, 5. Juni 2018

Mit den von ihm erlassenen Strafzöllen auch gegen die EU, Kanada und Mexiko setze Trump seine Bemühungen fort, die Legitimität des Streitbeilegungsverfahrens der Welthandelsorganisation (WTO) zu untergraben. Abzulesen sei dies auch an der Weigerung der USA, turnusgemäß neue Mitglieder des WTO-Berufungsgremiums zu benennen, provoziert werde damit dessen Arbeitsunfähigkeit. In einer Weltwirtschaft ohne Regeln aber werde das Recht des Stärkeren gelten, gerade kleinere Länder müssten sich dann wieder asymmetrischen Handelsabkommen beugen.

 

Steven Feldstein
Despite Trump’s Shameful G-7 Showing, U.S. Credibility Still Intact
Carnegie Endowment for International Peace, 12. Juni 2018

In diesem Kommentar sorgt sich der Autor, dass die Glaubwürdigkeit der USA Schaden nehmen wird, sollte Trump an seiner unilateralen Politik weiterhin rücksichtslos festhalten und Verbündete wie Feinde behandeln. „The more Trump pursues a narrow definition of U.S. interests that calls treaty commitments and longstanding partnerships into question, the greater the risk to U.S. credibility, particularly when the next major crisis erupts.”

 

Jeremy Shapiro
What „America First” Will Cost Europe. Could Trump's Neglect Undo the EU?
Foreign Affairs, 12. Juni 2018

In diesem Beitrag nimmt Jeremy Shapiro das gesamte Panorama der Beziehungen zwischen den USA und den EU-Staaten in den Blick, im Hintergrund steht die von Trump offen geäußerte Ansicht, die EU sei „genauso schlimm wie China“ – eine Haltung, die sich im Erlass von Strafzöllen spiegelt. Shapiro wählt als Ausgangspunkt seiner Betrachtung das Auftreten des neuen US-Botschafters in Deutschland, Richard Grenell. Dieser habe sich mit seiner Mischung aus professioneller Inkompetenz und persönlicher Arroganz sofort unbeliebt gemacht und dann auch noch via Breitbart angekündigt, konservative Parteien in Europa stützen zu wollen – gemeint waren weniger die klassisch konservativen, sondern eher die rechtspopulistischen. Es sei offensichtlich, so Shapiro, dass die Trump-Administration tatsächlich aber keine strategische Vision für Europa habe, sogar eher desinteressiert sei – sehr zum Verdruss etwa von Victor Orbán, der sich aus dem Weißen Haus nun mehr Unterstützung erhofft, aber nicht erhalten habe. „The only thing this cacophony of conflicting voices really shows is that the Trump administration doesn’t have a strategic or ideological purpose in Europe and probably doesn’t want one.” Trumps eigentliche außenpolitischen Prioritäten fasst Shapiro mit den drei Stichworten Handel, Einwanderung und Terrorismus zusammen, Europa interessiere ihn nur in diesen Kontexten. Dass der Autor diese Haltung bedauerlich findet, wird deutlich bei seinem Hinweis, dass die USA eine wichtige Rolle bei der Einigung Europas gespielt haben und deren positiver Einfluss gerade jetzt fehle – werden doch derzeit fünf EU-Staaten von antieuropäischen Regierungen geführt. Damit komme nun Deutschland und Frankreich die zentrale Rolle bei der Erneuerung der EU zu.

 

William Gale / Hilary Gelfond / Aaron Krupkin / Mark J. Mazur / Eric Toder
Effects of the Tax Cuts and Jobs Act: A preliminary analysis
Brookings Institution, Report, 14. Juni 2018

Die Autoren analysieren ausführlich den „Tax Cuts and Jobs Act“ (TCJA) von 2017 – die größte Steuerreform seit 1986. Das neue Steuerrecht führe zu wesentlichen Änderungen der Steuersätze und -grundlagen sowohl der individuellen als auch der Körperschaftsteuer. Es sei davon auszugehen, dass durch diese Reform die Wirtschaft kurzfristig angekurbelt werde, die langfristigen Auswirkungen auf das BIP dürften dagegen gering sein – da vor allem Nettokapitalzuflüsse aus dem Ausland generiert würden, die in Zukunft zurückgezahlt werden müssten. Festgestellt wird ferner, dass die Bundeseinnahmen erheblich sinken werden und ihre Verteilung ungleicher wird. Es sei von einer Erhöhung der Staatsverschuldung auszugehen, was die künftigen Generationen belaste. Insgesamt vereinfache das neue Gesetz die Steuerpolitik auf den ersten Blick zwar, schaffe aber auch neue Unübersichtlichkeiten und habe negative Folgen für den Einzelnen etwa im Hinblick auf die Krankenversicherungsbeiträge oder auch bei der Anrechnung von Spenden für wohltätige Zwecke. „The new law leaves many unanswered questions. It phases out many provisions over time, and it leaves US revenues significantly below what is needed to address long-term fiscal shortfalls. These aspects invite reconsideration of the tax policy choices made in the TCJA over the next several years.” (26) Die Analyse wird durch mehrere Tabellen ergänzt.

 

Krishnadev Calamur
Trump Always Wanted a Trade War – and Now He’s Got Several
The Atlantic, 15. Juni 2018

Der größte Aggressor im Handelskrieg seien die USA mit einem Präsidenten an der Spitze, der meine, dieser sei leicht zu gewinnen („trade wars are good, and easy to win“, via twitter), und keine Unterschiede zwischen China und den Verbündeten in Europa mache. „His priority is not negotiating, but fighting.“ Trump glaube, durch eine Reduzierung des US-Handelsdefizits mehr Jobs im Inland schaffen zu können, dass überhaupt freier Handel schlecht für die US-amerikanischen Arbeiter sei. Seine schlichte Sicht auf die Wirtschaft, die er im Wahlkampf propagiert habe, setzte er genauso um. Ebenso vorhersehbar werden nach Ansicht des Autors allerdings die wirtschaftlichen Folgen sein, was die Administration aber ignoriere.

 

Yasmeen Serhan
Bourbon Is the Latest Victim of Trump's Trade War
The Atlantic, 27. Juni 2018

Der Bourbon Whiskey erfreue sich seit einigen Jahren vor allem in Westeuropa steigender Beliebtheit, der Erfolgskurs sei jetzt aber gefährdet. „But what does happy hour have to do with metal tariffs?” In Reaktion auf die Strafzölle, die Trump auch für Aluminium und Stahl aus Europa erlassen habe, habe die EU 100 US-amerikanische Produkte benannt, auf die nun ebenfalls höhere Zölle erhoben werden sollen – eine Flasche Bourbon werde statt bisher 35 Euro dann 44 Euro kosten mit der mutmaßlichen Folge, dass die Käufer nun lieber schottische Produkte kaufen. „The EU decided to target bourbon for the same reason it chose to levy tariffs on motorcycles and denim: Bourbon and Harley-Davidson are produced in Kentucky and Wisconsin, respectively, which are not coincidentally the home states of the Republican leaders of both houses of Congress. Blue jeans, which are also on the EU’s list of targeted goods, are produced in House Minority Leader Nancy Pelosi’s home state of California.” Harley Davidson habe inzwischen angekündigt, außerhalb der USA für den europäischen Markt produzieren zu wollen, um Preiserhöhungen zu vermeiden – eine Option, die die Destillerien nicht hätten.

 

James Andrew Lewis / William Alan Reinsch / Scott Kennedy / Stephanie Segal
Investment Restrictions on China: The Decision that Wasn’t
Center for Strategic & International Studies, 28. Juni 2018

Das Weiße Haus habe sich für Beschränkungen für chinesische Investoren ausgesprochen und damit für eine Reformierung der Mechanismen zur Überprüfung ausländischer Investitionen und zur Kontrolle des Exports sensibler Technologien. Statt einen eigenen Vorschlag vorzulegen, werde der Entwurf zum Foreign Investment Risk Review Modernization Act (FIRRMA) unterstützt, im Mittelpunkt steht die Frage des (unerwünschten) Technologie-Transfers. Ob das Gesetz eine Wirkung zeigt, wird sich nach Ansicht der Experten erst im Laufe der Zeit zeigen – zumal China etwa durch Industriespionage auch unlautere Mittel einsetze.

 

Michael D. Swaine
The U.S. Can’t Afford to Demonize China
Foreign Policy / Carnegie Endowment for International Peace, 29. Juni 2018

Insbesondere die US-Regierung sei dafür verantwortlich, dass sich in ihren Beziehungen zu China eine destruktive Dynamik entfaltet habe. Dessen Dämonisierung sei allerdings kontraproduktiv, meint Michael D. Swaine, da die USA eigentlich daran interessiert sein sollten, partnerschaftliche Kontakte zu pflegen, um die eigenen Interessen wirksam vertreten und globale Probleme lösen zu können – wozu der Klimawandel und die Kontrolle und Verhinderung der Weitergabe von Massenvernichtungswaffen ebenso zählten wie Pandemien, das globale Wirtschaftssystem und die Stabilität in Asien. Allerdings habe auch China seinen Anteil an funktionierenden Beziehungen beizutragen und sollte daher die Kritik an seiner Außenwirtschaftspolitik ernst nehmen.

 

David Frum
The Trade Deficit Is China’s Problem
The Atlantic, 30. Juni 2018

Die Trump-Administration betrachte die Handelsbeziehungen mit China von der falschen Seite aus: Es seien nicht die Amerikaner, die unter dem chinesischen Überschuss litten, so die These von David Frum – aber sie seien, neben den Verbrauchern in China, die derzeitigen Verlierer des Handelskriegs, in den USA müsse man jetzt mehr für eine Waschmaschine, in China mehr für Lebensmittel ausgeben, ohne dass sich grundsätzlich etwas geändert habe. Tatsächlich relevant für eine Einschätzung der Wirtschaftsbeziehungen seien aber nicht die im- und exportierten Produkte, sondern die Kapitalströme. Frum erklärt dies mit einem Rückgriff auf die Geschichte: „Here’s another way to think about it. In about 1890, the U.K.-U.S. relationship looked a lot like the U.S.-China relationship today. In 1890, Britain held the world’s largest pool of investible wealth, as the United States does today. In 1890, the U.S. economy was growing much faster than the U.K. economy, much as China’s economy grows faster than America’s today. Now comes the difference. In 1890, investment capital flowed from Britain (the more mature economy) to the United States – and on a huge scale. In those days, Britain invested something like 6–8 percent of its national income overseas, with the U.S. as the single largest destination. Instead of attracting capital, however, China is repelling it. Even accepting the claim that official statistics may undercount U.S. investment, the most rah-rah private consulting firms estimate the total U.S. investment in China since 1990 at about $250 billion – not much more than double the U.S. investment over the same period in tiny Belgium.” Chinas Handelsplus sei die Kehrseite seines Scheiterns bei der Anwerbung von Direktinvestitionen und weitergedacht lege die ganze Situation nahe, dass die Chinesen der Entwicklung in ihrem eigenen Land nicht trauten. „The fears we express for the American side in the U.S.-China equation may be deeply misplaced. The fears should attach to China.“

 

William Alan Reinsch
That Was the Week that Was
Center for Strategic & International Studies, 2. Juli 2018

Das Weiße Haus habe Restriktionen für chinesische Investitionen in den USA verkündet und Harley-Davidson, dass es Teile der Produktion nach Europa verlegen werde. „The president’s response – Harley-Davidson should stay in America – is asking the company to commit suicide.” Die Entscheidung zu den chinesischen Investitionen sei dagegen von größerer Weitsicht geprägt, bestehende Verfahren zur Überprüfung würden optimiert. Allerdings sei unklar, welche Auswirkungen der Versuch haben werde, in den nicht-militärischen Technologie-Transfer einzugreifen: „That would be a major disruption for our economy, bringing under government control items that have long been exported freely and over the long term dooming our companies by keeping them out of the markets they need to grow and shielding them from the competition that makes them stronger.“

 

Jedediah Purdy
Trump’s Nativism Is Transforming the Physical Landscape. From the wilderness of the west to the mountaintops of Appalachia, the president’s nationalism is remaking America
The Atlantic, 3. Juli 2018

Neben vielen anderen Skandalen sei die Trump-Administration vor allem durch ihre gegen die Umwelt gerichteten Initiativen aufgefallen, schreibt Jedediah Purdy, Professor an der Duke University School of Law. Er verweist insbesondere auf den Rückzug aus dem Pariser Klimaschutzabkommen, die Beendigung des Clean Power Plan und die Förderung von Offshore-Erdölförderungen und auf öffentlichem Land. Diese Politik sei an den wirtschaftlichen Schwerpunkten in den jeweiligen Wahlkreisen mit republikanischer Mehrheit ausgerichtet, zeigten aber vor allem auch, welchen Anspruch der Trump’sche Nationalismus auf die amerikanische Natur erhebe: Vergangenen Dezember habe Trump per Dekret eine Million Hektar Bundesland aus dem Bears Ears National Monument herausgelöst und mehr als 800.000 Hektar aus dem Grand Staircase-Escalante National Monument, beide im südlichen Utah gelegen. „The immediate effect was to open much of the declassified land to mining for coal and uranium and drilling for oil and gas. This was also a dramatic assertion of presidential power, marking the first time national monuments have been shrunk in more than half a century.” Purdy hebt die Bedeutung dieses Zugriffs auf die Natur hervor, hätten doch die Nationalparks lange die Seele des Landes repräsentiert. „They were the American cathedrals. But instead they attract fights over collective identity.” Nirgendwo sonst sei das Wahlergebnis für Trump so hoch ausgefallen wie in der Region der Kohleminen der Appalachen. „He won 83.2 percent of the vote in West Virginia’s Mingo County, 84.9 percent in Harlan County, Kentucky.” Sein Versprechen sei gewesen, den „War on Coal zu“ beenden – wobei die Vorstellung, durch Umweltschutz und Regulierung werde ein Krieg gegen die Kohle geführt, bereits aus dem Jahr 2010 stamme, damals sei es ein Slogan der Kohleindustrie gewesen. Tatsächlich aber gehe es inzwischen kaum noch um die Kohle als Energieträger, „it becomes more important as a defiant emblem of who we are, the contested and embattled America itself. The blend of pride and violence, belonging and dispossession, is also a main ingredient of the American masculinity that has figured so destructively in the current politics.” Verpasst aber werde so die Gelegenheit, die Zukunft zu gestalten, wie Purdy unter Hinweis auf einen Streik von Lehrern aufzeigt – diese forderten die Kohleunternehmen auf, für die Zerstörung der Natur so viel Steuern zu zahlen, dass die Ausbildung der nächsten Generation für die Zeit nach der Kohle gesichert werden könne.

 

Ben White / Megan Cassella
Trump goes to war with corporate America. The president’s widening trade war is pushing longtime GOP allies to the front lines of a fight against the Trump administration
Politico, 3. Juli 2018

Präsident Trump habe sich mit seiner Handelspolitik gegen einige der treuesten Verbündeten der Republikanischen Partei gestellt – gegen das Großkapital, einschließlich der Führungskräfte von legendären US-amerikanischen Marken wie General Motors und Harley-Davidson, die es zuvor vermieden hätten, ihn offen zu kritisieren. Trump wette darauf, dass seine populistische Herangehensweise an den Handel seine Basis in der Arbeiterklasse begeistern werde. Seine Botschaft an die Unternehmen laute: „I don’t care what you say, my base is with me.“ Die Unternehmen, vor allem die der Autoindustrie, fürchteten aber die negativen Effekte einer protektionistischen Handelspolitik, die deren länderübergreifende Fertigungsketten missachte.

 

Coral Davenport / Ana Swanson
How Trump’s Policy Decisions Undermine the Industries He Pledged to Help
The New York Times, 4. Juli 2018

Trump sei angetreten, die US-Automobilindustrie zu retten und um grundsätzlich eine unternehmerfreundliche Politik umzusetzen, versprochen habe er einen Öl- und Gasboom ebenso wie die Neuverhandlung von NAFTA. Die neuen Zölle auf Stahl und Aluminium zeigten auch schon positive Effekte, so eine Stellungnahme des Weißen Hauses. In diesem Artikel wird genauer nachgefragt – zu Wort kommt etwa ein Sojabohnen-Farmer aus South Dakota, der Trump wählte und jetzt mit Gegenzöllen Chinas konfrontiert ist und damit um seinen Absatzmarkt fürchten muss. Die nicht-intendierten Folgen erscheinen als fester Bestandteil der Politik der Trump-Administration. Den Grund dafür erläutert das unabhängige Forschungsinstitut Resources for the Future, das mit der Feststellung zitiert wird, dass es der Regierung an einem Verständnis für die komplexen (welt-)wirtschaftlichen Zusammenhänge fehle. Dieser Aussage und der Annahme, dass Wahlkampfversprechen eher blind umgesetzt werden, wird an Beispielen nachgegangen. So fürchtet die Aluminiumbranche, die durch die neuen Zölle eigentlich geschützt werden soll, nicht nur höhere Preise für die heimischen Verbraucher; auch sie selbst muss ihr Material nun teuer einkaufen: Laut Recherche der Autoren gehören 97 Prozent der Jobs in dieser Branche nicht zu Betrieben, in denen Aluminium hergestellt, sondern nur weiterverarbeitet wird. Neben den Zöllen stoßen auch die Deregulierungen auf Kritik, so in der Automobilbranche. So wird die Lockerung der Anforderungen an den Umweltschutz auch deshalb abgelehnt, weil in Kalifornien weiterhin strenge Regeln gelten und nun kein landesweit einheitlicher Standard mehr in Kraft ist.

 

David Dollar
The US-China trade war has begun
Brookings Institution, Podcast, 6. Juli 2018
The future of the U.S.-China trade war
Brookings Institution, Order from Chaos, 9. Juli 2018

David Dollar zeigt zunächst kurz die gegenseitigen Zölle der USA und Chinas auf und stellt fest, dass die chinesische Wirtschaft diesen Sturm voraussichtlich gut überstehen wird – sie sei bei Weitem nicht mehr so stark von ihren Exporten in die USA abhängig wie dies noch vor einigen Jahren der Fall gewesen sei, diese machten nur noch drei Prozent der Wirtschaftsaktivitäten aus. Allerdings stehe China am Ende zahlreicher Fertigungsketten, in die auch die USA eingebunden seien; diese könnten sich mit Strafmahnahmen also durchaus selbst schaden. Außerdem verweist der Autor darauf, dass es zuvor den USA nie gelungen ist, über Zölle ihre Handelsbilanz auszugleichen, im Gegenteil. Die US-Wirtschaft selbst brumme derzeit infolge der Steuerreform, die Zölle würden sich in diesem Jahr gesamtwirtschaftlich kaum auswirken – sie seien nur etwas Sand im Getriebe, vor allem zum Schaden von Farmern. 2018 werde sich am jetzigen Zustand wenig ändern, so die Prognose, aber China werde seinen Markt weiter öffnen. 2019 könnte es zu einer Einigung kommen, die die USA für sich als Erfolg verbuchen werden.

 

Paul Krugman
Trump, Tariffs, Tofu and Tax Cuts
The New York Times, Kommentar, 9. Juli 2018

Trumps Wirtschaftspolitik sei an ihrem Erfolg zu messen: So sei festzustellen, dass die Steuerreform keineswegs dafür sorge, dass die Arbeiter infolge der höheren Gewinne der Unternehmen mehr Lohn erhielten (diese Idee sei schon immer offensichtlicher Unsinn gewesen) – der durchschnittliche Stundenlohn sei im Mai dieses Jahres niedriger ausgefallen als im Vergleichsmonat des Vorjahres. Und überhaupt fehle vom versprochenen Investitionsboom jede Spur, schreibt der renommierte Wirtschaftswissenschaftler Paul Krugman, ein nachhaltiger Aufschwung zeichne sich nicht ab und die Folgen des gerade begonnenen Handelskrieges seien noch nicht abzusehen.

 

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Medienschau

Reihan Salam
Normalizing Trade Relations With China Was a Mistake
The Atlantic, 8. Juni 2018

Im Jahr 2000 habe der US-Kongress die folgenschwere Entscheidung getroffen, die wirtschaftlichen Beziehungen zu China zu normalisieren, es sei der Status der „permanent normal trade relations“ (PNTR) festgelegt worden. Damit seien die Fluttore gegen Investitionen geöffnet worden und die multinational agierenden US-Konzerne hätten begonnen, länderübergreifende Fertigungsketten zu etablieren. Damals habe das Zeitalter von „Chimerica” begonnen. Mit dieser Gleichstellung Chinas mit den freien Marktwirtschaften hätten die USA darauf verzichtet, politisch Einfluss mit dem Ziel einer Liberalisierung und Demokratisierung des Landes zu nehmen, kritisiert der Autor.


Digirama

Trumponomics. Die wirtschaftspolitischen Vorstellungen des Präsidenten – auch im O-Ton

Die wirtschaftspolitischen Ankündigungen Donalds Trumps haben bereits während des Wahlkampfes für großes Aufsehen gesorgt, die Welt wähnte die USA zwischenzeitlich vor Handelskrieg mit der Volksrepublik China. Seine Handels- und Wirtschaftspolitik hat seit seinem Amtsantritt aber keineswegs an klaren Konturen gewonnen. Das Interview, das er The Economist gegeben hat, hätte Aufschluss geben können, stellte Trump aber nur als wenig informiert bloß. Aufklärung bieten zwei SIRIUS-Beiträge.
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Aus den Denkfabriken

Kommt es zur Konfrontation mit China? Donald Trump hat sich auf der Basis strittiger Annahmen positioniert

Wahlkampfaussagen und erste Amtshandlungen deuten an, dass die amerikanisch-chinesischen Beziehungen ein zentrales Thema des neuen Präsidenten sein werden. Die Volksrepublik ist eine bevorzugte Zielscheibe Trumps, macht er sie doch wesentlich für den Niedergang des industriellen Sektors in den USA verantwortlich. Neben den wirtschaftlichen Beziehungen existiert ein weiteres Politikfeld von höchster Brisanz: die Sicherheit im asiatisch-pazifischen Raum.
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