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Die Europäische Union. Ein Modell unter Druck

06.03.2019
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Prof. Dr. Tobias Lenz

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union, https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/image/jpeg/2016-11/_la_7167.jpgDas Modell des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) sei zu einem regelrechten „Exportschlager“ der EU geworden, schreibt Tobias Lenz. Das Foto zeigt eine Sitzung der Großen Kammer des EuGH. Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union, https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/image/jpeg/2016-11/_la_7167.jpg

 

1Nach ihrer Gründung im Jahr 1952 haben sowohl die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl wie auch ihre Nachfolgerin, die Europäische Union, als Modell für andere Regionalorganisationen gedient. Die jüngsten Krisen in der Europäischen Union – bezüglich Migration, der gemeinsamen Währung und des Brexits – stellen diesen Status jedoch infrage. Während diese Krisen den Erfolg der Europäischen Union schmälern, sind Voraussagen darüber, ob das Modell der Europäischen Union bald irrelevant oder gar vom Abstieg bedroht sein wird, verfrüht.

  • Institutionen, die denen der Europäischen Union ähneln, verbreiten sich zunehmend in der Welt; dazu gehören mächtige Streitschlichtungsmechanismen, Generalsekretariate mit Kompetenzen zum Agenda Setting und parlamentarische Versammlungen.

  • Diese Entwicklungen sind teilweise dem Erfolg der Europäischen Union geschuldet sowie der Tatsache, dass sie aktiv regionale Integration in anderen Teilen der Welt fördert. Die Europäische Union stärkt Regionalismus aktiv durch finanzielle und technische Unterstützung sowie durch die Verhandlung interregionaler Abkommen.

  • Dennoch schaffen Institutionen, die mit denen der Europäischen Union vergleichbar sind, selten gleichwertige positive Ergebnisse, weil sich andere Regionen stärker um nationale Souveränität sorgen und sich die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Umfelder unterscheiden.

  • Die jüngsten Krisen in der Europäischen Union haben ihre externe Wahrnehmung als Modell für spezifische Policy-Regime verfälscht. Dabei erweist sich der Brexit als größtes Problem, weil er einen grundlegenden Widerstand gegen die Idee regionaler Kooperation als solche zum Ausdruck bringt. Die Vorstellung, dass regionale Kooperation Nationalstaaten helfen kann, Frieden zu sichern und wirtschaftlichen Wohlstand zu schaffen, wird noch immer am prominentesten von der Europäischen Union verkörpert. In einer Welt, in der Konflikte und Armut nach wie vor weit verbreitet sind, bleibt diese Idee weiterhin allgegenwärtig.

Das europäische Modell regionaler Kooperation hat sich weltweit verbreitet

Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts beschloss eine Gruppe politischer Entscheidungsträger, die internationalen Beziehungen in Westeuropa mit dem Ziel zu verändern, der Geißel des „totalen Krieges“ und nationalistischer Hysterie zu entkommen. Dabei entschieden sie sich für einen bis dato unbekannten Ansatz: die schrittweise Integration nationaler Wirtschaftsräume unter der Führung supranationaler Institutionen. Diese „neue Ideologie der Integration“ (Parsons 2002: 48) verfolgte einen Mittelweg zwischen Föderation, also einem Verschmelzen von Nationalstaaten in eine gemeinsame politische Ordnung mit einem gewissen Grad an Autonomie für die einzelnen Einheiten, und traditionellen Formen loser zwischenstaatlicher Kooperation. Andere Weltregionen beginnen heute, diesem „Modell“ der Europäischen Union (EU) zu folgen.

Drei supranationale Institutionen bilden das vielleicht markanteste Element dieses EU-Modells: der Europäische Gerichtshof, ein „Vorreiter supranationaler Gerichtsbarkeit“ (Hooghe et al. 2017: 589) seit seiner Gründung im Jahr 1952; die Europäische Kommission, ausgestattet mit ausführenden Befugnissen und einem exklusiven Initiativrecht; und das Europäische Parlament, ein Gremium bestehend aus (seit 1979 direkt gewählten) nationalen Parlamentariern, die an der regionalen Entscheidungsfindung teilhaben. Diese Institutionen haben sich – in unterschiedlichem Maß und in unterschiedlichen Kombinationen – in anderen Weltregionen verbreitet. Als sie in den 1950er-Jahren gegründet wurden, waren sie noch buchstäblich einzigartig, aber heute sind sie als institutionelle Form geläufiger. Trotzdem ist das EU-Modell noch lange nicht der „Normalfall“ regionaler Kooperation. Aufbauend auf dem Measure-of-International-Authority-Datensatz, der 33 Regionalorganisationen (ROs) im Zeitraum zwischen 1950 bis 2010 umfasst, verdeutlichen die folgenden Abbildungen, wie weit sich diese EU-Institutionen ausgebreitet haben.

Abbildung 1 unten zeigt die Anzahl der Organisationen im Jahr 2010, die wichtige institutionelle Merkmale mit dem Europäischen Gerichtshof teilen: (a) ob eine Organisation über einen ständigen Gerichtshof verfügt; (b) ob private Akteure und andere Vertragspartner Zugang zu Streitschlichtung haben; (c) ob Gerichtsurteile unmittelbar anwendbar sind; und (d) ob es ein System an Vorabentscheidungen gibt, bei dem nationale Gerichte Fälle an den regionalen Gerichtshof überweisen können, um Fragen der Auslegung von Verträgen zu klären. Die Grafik lässt erkennen, dass eine wesentliche Anzahl an Regionalorganisationen wichtige institutionelle Merkmale mit dem Europäischen Gerichtshof teilt – wobei die Anzahl je nach Merkmal variiert. Während ständige Gerichtshöfe mittlerweile in mehr als der Hälfte der Organisationen (17) in unserer Stichprobe existieren, sind die Gerichtsurteile nur in einem Viertel der Organisationen (8) unmittelbar anwendbar in der Rechtsordnung der jeweiligen Mitgliedstaaten. Die Merkmale des privaten Zugangs (14) und der Vorabentscheidungen (10) liegen somit zwischen diesen beiden Polen, was die Verbreitung angeht.


Abbildung 1: Anzahl der Regionalorganisationen, die charakteristische institutionelle Eigenschaften mit dem Europäischen Gerichtshof teilen, 2010, N=33

Lenz Abb 1

Quelle: basierend auf Daten von Hooghe et al. (2017)


Regionale Entscheidungsträger kopieren jedoch nicht nur einzelne Elemente des Europäischen Gerichtshofs, sondern teilweise die gesamte Institution. Abbildung 2 zeigt die Anzahl der Organisationen, die im Laufe der Zeit mindestens drei der zuvor genannten vier institutionellen Merkmale des Europäischen Gerichtshofs aufweisen. Es lässt sich erkennen, dass diese Anzahl seit 1983 kontinuierlich angestiegen ist, beginnend mit der Schaffung des Tribunals der Andengemeinschaft. Im Jahr 2010 gab es elf funktionsfähige „Kopien“ des Europäischen Gerichtshofs – das entspricht einem Drittel der Organisationen in unserer Stichprobe.


Abbildung 2: Anzahl der Regionalorganisationen, die alle oder fast alle charakteristischen institutionellen Eigenschaften mit dem Europäischen Gerichtshof teilen, 1960-2010, N=33

03 Lenz Abb 2

Quelle: basierend auf Daten von Hooghe et al. (2017)


Die Europäische Kommission, die zweite supranationale Institution der EU, fungiert als Generalsekretariat und verfügt über institutionelle Eigenschaften, die in den 1950er-Jahren im Bereich der internationalen Kooperation einzigartig waren. Sie besitzt nicht nur ein exklusives Initiativrecht für Sekundärgesetzgebung, sondern erfüllt außerdem neben ihrer administrativen Rolle auch die der ausführenden Gewalt. Die Idee der Gründerväter war es, eine mächtige Institution zu schaffen, die die Interessen der gesamten Organisation gegenüber den Partikularinteressen der Mitgliedstaaten verteidigt. Abbildung 3 zeigt die Anzahl der Organisationen im Jahr 2010, die dem Generalsekretariat (a) die Befugnis zur Initiierung von Sekundärgesetzgebung und (b) ein Exklusivrecht dazu gewährt haben. Es lässt sich feststellen, dass zwei Drittel der Regionalorganisationen (22) dem Generalsekretariat diese Befugnisse zur Agendasetzung zugestanden haben, wobei ein exklusives Initiativrecht noch vergleichsweise selten ist (drei Organisationen in der Stichprobe). Die drei Generalsekretariate, die exklusiv über das Initiativrecht für Sekundärgesetzgebung verfügen, besitzen auch Exekutivkompetenzen und verbinden damit die beiden Markenzeichen der Europäischen Kommission. In allen drei Fällen handelt es sich um afrikanische Regionalorganisationen, nämlich die Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika, die Zentralafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft und die Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten. Das Modell der Europäischen Kommission ist jedoch weniger populär als das des Europäischen Gerichtshofes.


Abbildung 3: Anzahl der Regionalorganisationen, die ihr Generalsekretariat mit der Befugnis zur Initiierung von Sekundärgesetzgebung ausgestattet haben, 2010, N=33

03 Lenz Abb 3

Quelle: basierend auf Daten von Hooghe et al. (2017)


Abschließend war die EU in ihrer Gründungsphase die zweite Regionalorganisation der Welt (nach dem Europarat), die nicht nur Regierungen, sondern auch ihren Parlamentariern institutionalisierte Mitspracherechte im Prozess der regionalen Kooperation bot. Die Gemeinsame Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl war hauptsächlich darauf ausgelegt, ein Gegengewicht zur ungewöhnlich mächtigen Hohen Behörde zu bilden. Von Beginn an verfügte sie über beratende Befugnisse bei politischen Entscheidungsprozessen. Die Geschichte ihrer Ermächtigung ist allgemein bekannt: Seit der Übertragung gesetzgeberischer Kompetenzen bei der Finanzplanung im Jahr 1970 hat sich das Europäische Parlament, wie es seit 1958 genannt wird, zu einem echten Ko-Gesetzgeber neben dem Ministerrat entwickelt. Abbildung 4 stellt die Anzahl der Regionalorganisationen im Jahr 2010 dar, die über parlamentarische Institutionen bestehend aus direkt oder indirekt gewählten Vertretern verfügen. Unterschieden wird zwischen parlamentarischen Institutionen mit (a) nur beratender Funktion, (b) gesetzgeberischen Befugnissen und (c) Mitgliedern, die in mindestens einem Mitgliedsland direkt gewählt wurden. Das Schaubild zeigt, dass parlamentarische Institutionen mit beratender Funktion zwar weit verbreitet sind (16 Organisationen in der Stichprobe); Institutionen, die gesetzgeberische Kompetenzen aufweisen und direkt gewählt wurden, sind jedoch weiterhin extrem selten. Nur die Legislative Versammlung der Ostafrikanischen Gemeinschaft besitzt die Befugnis, gesetzgeberisch tätig zu werden. Das Andenparlament und das Zentralamerikanische Parlament sind neben dem Europäischen Parlament die einzigen direkt gewählten parlamentarischen Institutionen.


Abbildung 4: Anzahl der Regionalorganisationen, die über eine parlamentarische Institution verfügen, 2010, N=33

03 Lenz Abb 4

Quelle: basierend auf Daten von Hooghe et al. (2017)


Zusammengenommen haben sich die supranationalen Institutionen der EU in anderen Teilen der Welt in unterschiedlichem Maße ausgebreitet. Während das Modell des Europäischen Gerichtshofes zu einem regelrechten Exportschlager der EU geworden ist, dienen die Europäische Kommission und das Europäische Parlament – obwohl Regionalorganisationen weltweit einige ihrer institutionellen Merkmale übernommen haben – weit weniger als institutionelle Vorbilder. Politische Entscheidungsträger in den meisten Regionalorganisationen picken sich einige Elemente des EU-Modells heraus, um ihre eigene „Marke“ regionaler Kooperation zu erstellen. Die Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft (vor der Abschaffung des Tribunals im Jahre 2013), die Afrikanische Union und die Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten haben allerdings fast alle ihre charakteristischen Institutionen übernommen.


Diese Verbreitung ist die Folge von EU-Diffusion, wachsender Interdependenzen und Gemeinschaft

Die Gründe, weshalb Entscheidungsträger aus anderen Weltregionen regionale Institutionen nach dem Vorbild der EU gestalten, sind vielfältig und die Diffusion des EU-Modells stellt lediglich einen Faktor dar. Dieser manifestiert sich in zwei Formen (siehe Lenz und Burilkov 2017).

Erstens versucht die EU, ihre Institutionen aktiv zu verbreiten (aktive Diffusion). Aufgrund der eigenen Erfahrungen mit regionaler Integration, die den Frieden gestärkt sowie wirtschaftliche Entwicklung in den Mitgliedstaaten befördert hat, haben europäische Entscheidungsträger bereits in den 1960er-Jahren damit begonnen, regionale Kooperationsbestrebungen ehemaliger afrikanischer Kolonien zu unterstützen. Interregionale Kooperation mit der Gruppe Afrikanischer, Karibischer und Pazifischer Staaten zielte darauf ab, Kooperation zwischen diesen Staaten selbst zu fördern. Diese Politik wurde in den 1970er- und 1980er-Jahren um bestehende Regionalorganisationen in Asien (Gemeinschaft Südostasiatischer Staaten), Lateinamerika (Andenpakt, Zentralamerikanisches Integrationssystem) und dem Nahen Osten (Golf-Kooperationsrat) erweitert. Heutzutage pflegt die EU einen regelmäßigen Austausch mit zahlreichen Regionalorganisationen weltweit und hält den interregionalen Kontakt mit Weltregionen, die über keine formale Organisation verfügen, aufrecht. Darunter fallen beispielsweise der Barcelona-Prozess mit den Ländern des Mittelmeerraumes oder die Asien-Europa-Treffen. Innerhalb dieser interregionalen Kontexte hat die EU die „Lektionen“ des europäischen Integrationsprozesses bei interessierten Organisationen beworben – mit dem Versuch, das eigene Modell der institutionalisierten regionalen Kooperation zu exportieren.

Die EU greift zu diesem Zweck auf eine Reihe von außenpolitischen Instrumenten zurück: Als Teil der Entwicklungspolitik der Gemeinschaft bietet die Europäische Kommission finanzielle und technische Unterstützung, um regionale Kooperation in anderen Teilen der Welt zu stärken. Die Kommission hat beispielsweise dazu beigetragen, das Generalsekretariat der Gemeinschaft Südostasiatischer Staaten auszubauen, und außerdem geholfen, den Gerichtshof der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft zu errichten (Lenz 2012). Letzterer wurde im Jahr 2005 eingeweiht und anschließend nach einer umstrittenen Entscheidung im Jahr 2013 bereits wieder aufgelöst (Nathan 2013). Als Teil der gemeinschaftlichen Handelspolitik verhandelt die EU Kooperations- und Handelsabkommen mit anderen Regionalorganisationen oder Ländergruppen, um den Aufbau regionaler Märkte voranzutreiben. Ein prominentes Beispiel dafür sind Verhandlungen mit dem MERCOSUR – einer Regionalorganisation in Südamerika. Außerdem unterhält die Gemeinschaft im Rahmen ihrer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik interregionale politische Dialoge mit anderen Regionalorganisationen und Ländergruppen, die das Ziel verfolgen, politische Kooperation zu stärken sowie gemeinsame Positionen in internationalen Angelegenheiten zu koordinieren.

Die zweite Form des Einflusses stellt die Emulation von EU-Institutionen dar (passive Diffusion). Die Nachahmung von Institutionen und Politiken der EU ist nicht zwangsläufig auf aktive Förderung angewiesen, da die europäische Erfahrung für jeden Akteur sichtbar ist und deswegen als Beispiel dienen kann. Wie bereits Pascal Lamy, ein ehemaliger Handelskommissar, scherzte: „Regionalismus mag eine europäische Erfindung sein, aber sie ist nicht urheberrechtlich geschützt!“ (Lamy 2001). Vor allem wenn institutionelle Designs erfolgreich erscheinen, um Kooperationsprobleme zu überwinden, können diese als institutionelle Vorlagen für andere Organisationen mit vergleichbaren Problemen dienen. Die EU wird vielerorts als die erfolgreichste Regionalorganisation der Welt angesehen, und hat weltweit zahlreiche Fürsprecher gewinnen können. Ein Beispiel aus meiner eigenen Forschung ist der philippinische Parlamentarier José de Venecia, der unermüdlich dafür gekämpft hat, innerhalb der Gemeinschaft Südostasiatischer Staaten eine parlamentarische Institution nach dem Vorbild des Europäischen Parlaments zu schaffen. Durch eine neue Charta der Organisation, die im Jahr 2008 in Kraft trat, sowie die anschließenden Entwicklungen hat diese parlamentarische Institution – welche seit den 1970er-Jahren als unabhängiges Organ besteht – einen formellen Status erreicht, der sie an den Entscheidungsprozessen der Organisation teilhaben lässt (Lenz i. E.). Diese passive EU-Diffusion kann eine Eigendynamik entwickeln. Sobald mehr und mehr Organisationen EU-ähnliche Institutionen schaffen, passen andere Akteure ebenfalls ihre Vorstellungen über angemessene institutionelle Designs für Regionalorganisationen an, was zu weiterem Anpassungsdruck führt. So können sich bestimmte Institutionen schnell ausbreiten.

Aktive und passive Diffusion vonseiten der EU sind jedoch nicht die einzigen Gründe für die Verbreitung von EU-ähnlichen Institutionen, die weiterhin zu den mächtigsten in der Welt der internationalen Kooperation gehören. Es gibt mindestens zwei weitere Bedingungen, die eine Entwicklung hin zu starken regionalen Institutionen erleichtert haben. Diese beziehen sich auf die strukturellen Umstände, innerhalb welcher regionale Kooperation stattfindet. Die erste förderliche Bedingung ist die zunehmende Interdependenz zwischen Staaten. Globalisierung bedeutet, dass es Regierungen zunehmend schwer fällt, ihre Probleme unabhängig voneinander zu lösen. Um dies zu verstehen, muss man sich lediglich vor Augen führen, wie weit ganz unterschiedliche Herausforderungen wie beispielsweise Wachstum, Frieden und Sicherheit oder saubere Luft über den nationalen Rahmen hinaus wirken und dadurch geradezu nach internationaler Kooperation verlangen. Unter Bedingungen der Interdependenz sind mächtigere Institutionen aus funktioneller Sicht mitunter erstrebenswert, um die Effektivität von Regionalorganisationen sicherzustellen. Mächtige Institutionen vermögen es eher als schwache, internationale Aushandlungsprozesse zu erleichtern, relevante Politikexpertise zu produzieren sowie die Regelbefolgung zu überwachen. Sobald regionale Institutionen, die Staaten bei dem Umgang mit Interdependenz helfen, einen bestimmten Grad an Autorität erreichen, beginnen sie, denen der EU zu ähneln.

Die zweite förderliche Bedingung für starke Institutionen ist „Gemeinschaft“ (community) (Hooghe, Lenz und Marks 2019). Staaten, die gemeinsame Normen teilen, schaffen es eher, auf der Grundlage von hochgradig unvollständigen Verträgen zu kooperieren. Hiermit sind solche Verträge gemeint, die lediglich die Ziele der Kooperation definieren und nicht etwa die konkreten Mittel und Maßnahmen. Während das Nordamerikanische Freihandelsabkommen, welches aus mehr als 1.000 Seiten Vertragstext besteht, beispielsweise einen relativ umfassenden Vertrag darstellt, ist die lediglich dreiseitige Bangkok Deklaration, welche die Gemeinschaft Südostasiatischer Staaten begründete, äußerst unvollständig. Unvollständige Verträge haben den Vorteil, dass sie vergleichsweise einfach an unvorhergesehene Ereignisse angepasst werden können. Dadurch bieten sie mehr Raum für institutionelle Fortentwicklung. Genauer gesagt verlangen unvollständige vertragliche Grundlagen danach, dass sich Institutionen dem sich wandelnden Inhalt der Kooperation anpassen. Dennoch führt die bestehende rechtliche Unklarheit, die mit unvollständigen Verträgen einhergeht, zu Problemen bei der Bestimmung der vertraglichen Konformität einer bestimmten Handlung. Lediglich Mitgliedstaaten, die gemeinsame Normen teilen, sind bereit, unvollständige Verträge einzugehen, da sich durch die gemeinsame Wertebasis die Bedenken minimieren, durch diese rechtlichen Unklarheiten von Nachbarstaaten ausgenutzt zu werden. Normative Gemeinsamkeiten, die das Aushandeln unvollständiger Verträge erst ermöglichen, bilden damit die Grundlage für die Schaffung mächtiger regionaler Institutionen, die womöglich denen der EU ähneln.

 

Doch auch EU-ähnliche Institutionen funktionieren unterschiedlich in verschiedenen Teilen der Welt

Die Tatsache, dass Regionalorganisationen in anderen Teilen der Welt – wenngleich zu unterschiedlichen Graden – EU-ähnliche Institutionen geschaffen haben, bedeutet nicht, dass sich diese in der Praxis zu ‚Mini-EUs‘ entwickelt haben. Institutionelle Praktiken und Ergebnisse weltweit bleiben weiterhin sehr unterschiedlich und viele Regionalorganisationen haben den Erfolg der EU nicht replizieren können – vor allem im Hinblick auf die Handelsliberalisierung, der zentrale Zweck vieler dieser Organisationen. Expertenbefragungen legen nahe, dass die EU weiterhin mit einigem Abstand die effektivste regionale Wirtschaftsorganisation der Welt ist, während die meisten Regionalorganisationen im Globalen Süden hinterherhinken (Gray und Slapin 2012).

Warum führen EU-ähnliche Institutionen also oftmals nicht zu EU-ähnlichen Praktiken und Ergebnissen? Der Grund hierfür ist einleuchtend: Selbst wenn politische Entscheidungsträger EU-ähnliche Institutionen schaffen, interagieren diese mit bereits bestehenden lokalen Bedingungen und historischen Erfahrungen, welche ihre Funktionsweise maßgeblich prägen. Da solche Bedingungen und Erfahrungen je nach Region variieren, führen EU-ähnliche Institutionen nicht zu ähnlichen Ergebnissen. Ich möchte an dieser Stelle zwei Unterschiede in diesen „Hintergrundbedingungen“ zwischen der EU und vielen anderen Regionalorganisationen hervorheben (siehe Lenz 2013: 218-219).

Ein wichtiger Unterschied liegt in der Einstellung von Entscheidungsträgern zu nationaler Souveränität. In Europa war das uneingeschränkte Streben nach nationaler Souveränität nach der beispiellosen Zerstörung des Zweiten Weltkriegs weitgehend diskreditiert. Regierungen in den 1950er- und 60er-Jahren waren sich bewusst, dass nur weitreichende regionale Kooperation den „Nationalstaat zu retten“ vermochte (Milward 1992). Dies traf insbesondere auf Deutschland als dem größten und mächtigsten westeuropäischen Staat zu. Deutschlands beispiellose Bereitschaft, nationale Souveränität mit seinen Nachbarn zum Zwecke regionaler Kooperation zu teilen, kann ausschließlich vor diesem einzigartigen historischen Hintergrund verstanden werden.

Der historische Kontext in anderen Regionen ist ein deutlich anderer. Nicht nur blieb den meisten Staaten dort eine Zerstörung von dem Ausmaß des Zweiten Weltkriegs erspart (obgleich zahlreiche Länder davon betroffen waren) – was erklärt, warum ihre Bereitschaft dazu, nationale Souveränität an supranationale Institutionen abzutreten, deutlich geringer ausgeprägt ist. Der postkoloniale Kontext, in den zahlreiche Staaten eingebettet sind, bedeutet überdies, dass Staaten in anderen Weltregionen supranationale Institutionen selten als Möglichkeit sehen, durch Zusammenarbeit ihre nationale Souveränität wiederzugewinnen. Stattdessen werden supranationale Institutionen in der Praxis häufig als unmittelbare Bedrohung nationaler Souveränität empfunden. Deshalb „berauben“ zahlreiche Regionalorganisationen bei ihrer Schaffung die EU-ähnlichen Institutionen ihrer souveränitätsbeschränkenden Eigenschaften, beispielsweise indem parlamentarische Institutionen lediglich mit beratenden anstatt gesetzgeberischen Befugnissen ausgestattet werden. Wo EU-Institutionen im Hinblick auf formelle Kompetenzen umfassender übernommen wurden, können Mitgliedstaaten über informelle Kanäle ein EU-ähnliches Funktionieren dieser Institutionen verhindern. So existieren in zahlreichen Teilen der Welt etwa patrimoniale Netzwerke bei Personalentscheidungen, die den Einfluss der Staaten auf formal unabhängige Institutionen sicherstellen, oder Staaten stellen bewusst unzureichende finanzielle Ressourcen bereit, um die Handlungsfähigkeit regionaler Institutionen zu beschränken (Gray 2018).

Über unterschiedliche historische Erfahrungen hinaus erklären auch strukturelle Gründe, warum institutionelle Praktiken im Hinblick auf regionale Kooperation zwischen der EU und anderen Weltregionen divergieren. So sind fehlende ökonomische Komplementaritäten zwischen Mitgliedstaaten sowie begrenzte interne Kapazitäten in der Literatur ebenfalls als Gründe angeführt worden, die erklären sollen, weshalb andere Regionen im Hinblick auf erfolgreiche ökonomische Integration generell hinter der EU zurückbleiben, selbst wenn sie vergleichbare Ziele verfolgen (Mattli 1999, Gray 2014).

Neueste Forschung zeigt außerdem, welche gesellschaftlichen Bedingungen dazu beitragen, dass die rechtliche Integration in einer Region die für die EU charakteristische Form der expansionistischen Gesetzgebung durch regionale Gerichtshöfe annimmt. Damit ist das Phänomen gemeint, dass Gerichtshöfe Verträge im Sinne zunehmender regionaler Integration auslegen. Regionale Gerichtshöfe sind stärker expansionistisch in ihrer Rechtsprechung, wenn es substaatliche und gesellschaftliche „Gesprächspartner“ gibt – dazu gehören beispielsweise nationale Gerichte, Interessennetzwerke und administrative Behörden –, die eine solche expansive Interpretation formaler Kompetenzen befürworten und die Einhaltung von Gerichtsurteilen einfordern. Während das Tribunal der Andengemeinschaft etwa zwar eine institutionelle Kopie des Europäischen Gerichtshofes darstellt, hat es aufgrund unterschiedlicher gesellschaftlicher Umstände dem Prinzip der nationalen Souveränität bisher einen deutlich höheren Stellenwert eingeräumt (Alter und Helfer 2010).

 

Und die Zukunft? EU-Krisen und die Attraktivität ihres Modells

Obwohl EU-ähnliche Institutionen in anderen Teilen der Welt selten vergleichbare institutionelle Praktiken und Ergebnisse gezeitigt haben, diente die EU dennoch lange Zeit als Modell – oder inspirierendes Beispiel. Wie wirken sich die derzeitigen Krisen in der EU auf diese Wahrnehmung aus? Eine Antwort auf diese Frage bleibt zwangsläufig spekulativ, doch möchte ich argumentieren, dass unterschiedliche Krisentypen unterschiedliche Auswirkungen auf die Attraktivität des EU-Modells haben. Während die Policy-Krisen der EU ihr Image bloß vorübergehend beschädigen, stellt Brexit – der bevorstehende Austritt Großbritanniens aus der EU – eine grundsätzlichere Herausforderung dar, da es den Integrationsmodus der EU als solchen infrage stellt. Ein Gros der Kritik der Brexit-Befürworter („Brexiteers”) wird von einem bedeutsamen Teil der Bevölkerungen in den Mitgliedstaaten der EU, einschließlich einiger Kernstaaten, geteilt.

Über das letzte Jahrzehnt hinweg sah sich die EU mit einigen großen Herausforderungen konfrontiert, die erhitzte Debatten innerhalb der EU-Institutionen und zahlreicher Mitgliedstaaten zur Folge hatten – umgangssprachlich wurden diese Herausforderungen als „Krisen“ bezeichnet. Eine dieser Herausforderungen war die europäische Schulden- oder Eurokrise – die Schwierigkeit einiger europäischer Staaten (Zypern, Griechenland, Irland, Portugal und Spanien), ihre Staatsschulden zurückzuzahlen oder hochverschuldete Banken zu retten. Eine weitere Krise hing mit den großen Flüchtlings- beziehungsweise Migrationsbewegungen vom Nahen Osten und Afrika nach Europa zusammen. Zuletzt hielt der Brexit-Limbo die EU in Atem, der – falls er denn nun zustande kommt – ein Novum in der europäischen Integrationsgeschichte darstellen würde.

Diese Krisen haben das Image der EU als erfolgreiche Regionalorganisation beschädigt. Dies ist einerseits der Fall, weil es augenscheinlich eine langanhaltende Phase, in der die EU relativ reibungslos funktionierte, zum Ende bringt. Andererseits scheint die Attraktivität, Mitglied in der EU zu werden (und zu bleiben), Risse zu bekommen. Darauf deutete bisher insbesondere die Erweiterung der EU auf zehn zentral- und osteuropäische Länder im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends hin. Diese Krisen werden in anderen Teilen der Welt genau verfolgt und deuten nach Ansicht vieler externer Beobachter darauf hin, dass die EU vor großen Herausforderungen steht, die ihre Fähigkeit zur Kompromissfindung bei zentralen Themen auf die Probe stellt. Daher hängt das externe Bild der EU stark davon ab, ob sie fähig ist, diese Herausforderungen zu meistern.

Allen voran wurde außenstehenden Beobachtern deutlich, dass zwei wichtige Policy-Regime der EU – die gemeinsame Währung sowie Europas Migrationspolitik – in ihrer jetzigen Form nicht funktionsfähig sind. Die Eurokrise zeigte, dass eine Währungsunion ohne Fiskalunion, das heißt eine gemeinsame Steuer- und Fiskalpolitik, langfristig nur schwierig aufrechtzuerhalten sein wird. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass nationalen Regierungen ein wichtiges Politikinstrument zur Reaktion auf Krisen fehlt (Geldpolitik) und gleichzeitig die Fähigkeit zur gemeinsamen supranationalen Reaktion aufgrund fehlender geeigneter Instrumente eingeschränkt ist. In ähnlicher Weise zeigte sich, dass die Dublin Konvention von 1990 – welche den Asylprozess innerhalb der EU reguliert und das externe Gegenstück zu den internen Bestimmungen zur Personenfreizügigkeit des Vertrages von Maastricht („Schengen“) darstellt – die Lasten der Migration hochgradig ungleich zwischen den EU-Mitgliedstaaten verteilt, da es Asylsuchenden auferlegt, ihre Anträge in dem ersten Land zu stellen, in dem sie europäischen Boden betreten. Obwohl beiden Policy-Krisen schwierige strukturelle Probleme zugrunde liegen, hat die EU sie zumindest in Schach halten können, indem sie kurzfristiges Krisenmanagement betrieb, während sie gleichzeitig versuchte, sich durch zähe Verhandlungen auf nachhaltigere Lösungen zu verständigen. Dort, wo die EU in der Lage ist, solche Lösungen zu finden, haben diese Krisen ihr Image nicht irreparabel beschädigt.

Die nachhaltige Schwierigkeit liegt jedoch darin, dass die genannte Problemlösung zunehmend mit der Fähigkeit der EU verbunden ist, einen tragfähigen nationalen Konsens in höchst umstrittenen politischen Fragen herzustellen. Diese Fähigkeit nimmt mit dem anhaltenden Aufstieg rechtspopulistischer Parteien in Europa ab. Diese neuen politischen Akteure stellen den europäischen Integrationsprozess nicht deshalb infrage, weil die EU möglicherweise die „falschen“ Antworten auf wichtige politische Probleme gibt – ein verbreitetes Merkmal der EU-Kritik von links –, sondern weil sie die Autorität der EU und anderer internationaler Organisationen grundsätzlich ablehnt (siehe Hooghe, Lenz und Marks 2018). In der Antrittsrede ihres Wahlkampfs zur Präsidentschaftswahl im Jahr 2017 hat Marine Le Pen die Globalisierung als Feind auserkoren, indem sie sie in Bezug zu islamistischem Fundamentalismus setzte, der als Kraft „unser Land unterwerfen” und „unsere Nationen verschwinden lassen” werde. Le Pen versprach, mit Frankreich aus der Eurozone und der NATO auszutreten sowie „unsere territoriale Souveränität” wiederzugewinnen (zitiert in Hooghe, Lenz und Marks 2018: 7). Nicht nur Le Pen und der Front National, sondern auch andere politische Akteure der populistischen Rechten, wie etwa Matteo Salvini und die Lega Nord in Italien oder Geert Wilders und die „Partei für die Freiheit“ in den Niederlanden, lehnen internationale Organisationen sowohl aus grundsätzlichen Überlegungen wie auch in der Praxis ab. Der ungarische Premierminister Viktor Orbán hat zuletzt gegenüber der Bild-Zeitung seine Einwände gegenüber der EU-Migrationspolitik mit dem Argument wiederholt, sie bedrohe die „Souveränität und kulturelle Identität“ der Ungarn.

Trotz Krisen und Schwierigkeiten war die Geschichte der europäischen Integration bisher von einer pragmatischen Haltung gegenüber nationaler Souveränität geprägt, nach der Regierungen willens waren, diese im Interesse gemeinsamer Vorteile zu teilen. Heutzutage weisen rechtspopulistische Parteien – deren Aufstieg sich, auch wenn er sich abschwächt, wahrscheinlich fortführt – eine grundsätzliche Skepsis auf: Nationale Souveränität wird als unteilbar verstanden. Diese Haltung steht ebenfalls im Zentrum des Programms der Brexit-Befürworter, die mit dem Slogan „Kontrolle zurückgewinnen“ (take back control) mehr als die Hälfte der Wählerschaft für einen Austritt aus der EU mobilisieren konnten. Während das Vereinigte Königreich seit jeher der Mitgliedstaat mit der größten EU-Skepsis ist, legt der Aufstieg des Rechtspopulismus in zahlreichen EU-Ländern nahe, dass diese Idee nicht nur dort auf fruchtbaren Boden fällt. Wenn sich diese Haltung in Zukunft weiter verbreitet, wird sich der Prozess der europäischen Integration aller Voraussicht nach nicht, wie aus der Vergangenheit gewohnt, fortsetzen.

Was bedeutet diese Diagnose für die weltweite Attraktivität des EU-Modells? Es wäre verfrüht, seine Irrelevanz oder seinen bevorstehenden Niedergang zu prognostizieren. Die historischen Errungenschaften der EU, Frieden zu sichern und Wirtschaftswachstum in ihren Mitgliedstaaten zu fördern, werden außerhalb ihrer Grenzen klarer erkannt als von einigen politischen Milieus innerhalb der EU. Auch wenn die EU zurzeit ihre bislang tiefgreifendste „Imagekrise“ durchlebt, bleibt die Idee, dass regionale Kooperation Nationalstaaten bei der Sicherung von Frieden und der Steigerung ökonomischer Wohlfahrt helfen kann, weiterhin attraktiv – und die EU wird hierfür in absehbarer Zukunft das prominenteste Beispiel bleiben.

Dieses externe Image ist eine Ressource, die politische Entscheidungsträger der EU nutzen sollten. Es befördert ihre internationale Glaubwürdigkeit nicht nur bei der Förderung regionaler Kooperation in anderen Teilen der Welt, sondern auch bei dem Versuch, den Multilateralismus im Allgemeinen zu stärken. Die EU bleibt ein Mikrokosmos dafür, wie Länder trotz unterschiedlicher historischer Erfahrungen, abweichender ökonomischer und sozialer Strukturen und verschiedener Interessen miteinander zum Wohle aller kooperieren können, indem sie sich ein ausgefeiltes System zur Aushandlung und Kompromissfindung schaffen. In dieser Hinsicht könnte die EU als hoffnungsvolles Beispiel in einer Welt dienen, in der materielle Ungleichheit und kulturelle Differenzen zu oft notwendige globale Kooperation verhindern. Um dieses Potenzial realisieren zu können, muss sie jedoch ihr eigenes Haus „in Ordnung“ halten. Die Attraktivität des EU-Modells hängt demnach von der Fähigkeit der Gemeinschaft ab, ihre eigenen Kooperationsprobleme zu lösen und mit Krisen, die ihren Zusammenhalt bedrohen, konstruktiv umzugehen. Im gegenwärtigen politischen Klima in Europa und anderswo können wir eine grundlegende Bereitschaft von Regierungen zu internationaler Kooperation nicht als gegeben hinnehmen. Deswegen würde das Aufrechterhalten einer produktiven Kooperation zwischen den Staaten der EU ein besonders starkes Signal aussenden, dass Verhandlung und Kompromiss ein wertvolles – und im Endeffekt unverzichtbares – Unterfangen darstellen.


Anmerkung

1 Dieser Text ist eine lose Übersetzung des auf Englisch erschienenen GIGA Focus Global, No. 6, December 2018. Ich danke Swantje Schirmer und Niklas Krösche für ihre Unterstützung bei der Übersetzung.
 


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Analyse

Das neue Europa und seine Krisen. Auswege aus den Entscheidungsfallen

Das europäische Integrationsprojekt befindet sich nach Ansicht von Edgar Grande inmitten eines Transformationsprozesses, der durch die Gleichzeitigkeit mehrerer Krisen geprägt ist. Diese erstreckten sich über zentrale Politikfelder und berührten die institutionelle Architektur. Was bedeutet das die Zukunft der EU? Um sowohl aus der Politikverflechtungs- als auch der Politisierungsfalle zu entkommen, so der Vorschlag, sollten die Bürger*innen stärker politisiert und Mehrheiten für Europa mobilisiert werden.

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Die Krise der Europäischen Union

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