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Aus der Annotierten Bibliografie
Demonstration gegen das Vorhaben der PiS-Regierung, die Justiz zu entmachten, Warschau, 24. Juli 2017 Foto: Robert Pastryk (Pixabay)
Der lange Weg einer Zivilgesellschaft
Über die Vergangenheit der polnischen Gegenwart
Die polnische Zivilgesellschaft kann auf eine Entwicklung zurückblicken, die deutlich in die sozialistische Zeit zurückreicht – ist aber dennoch bis in die Gegenwart hinein schwach geblieben. Dies mag ein Grund dafür sein, warum es der Politik des rechten Spektrums immer noch gelingt, das polnische Selbstverständnis unter Rückgriff auf die Vergangenheit zu definieren, Stichworte sind unter anderem die NS-Besatzungszeit und das Massaker von Katyń. An das Gedenken an Letzteres schließt sich inzwischen der Flugzeugabsturz von Smolensk an, bei dem der damalige Staatspräsident Lech Kaczyński umgekommen ist.
Die hier in Kurzrezensionen gezeigten Bücher bieten in der Zusammenschau insgesamt einen Längsschnitt durch die Geschichte Polens und seiner Gesellschaft, der weniger durch Zäsuren charakterisiert ist als durch längere historische Übergänge – trotz Krieg, trotz Systemumbruch. Jan T. Gross erzählt von einem Antisemitismus, der keineswegs nur den deutschen NS-Besatzern geschuldet war (Nachbarn. Der Mord an den Juden von Jedwabne und Angst. Antisemitismus nach Auschwitz in Polen) und nicht zum polnischen Selbstverständnis als Opfer und zugleich Helden der Geschichte passt. Nach 1945 zeigt sich aber auch eine Gesellschaft, die sich letztlich dem Sozialismus verweigerte – sowohl im Alltag (Jerzy Kochanowski, Jenseits der Planwirtschaft. Der Schwarzmarkt in Polen 1944-1989) als auch in der Politik: Die Gründung der Solidarność, der Runde Tisch und schließlich der friedliche Systemwechsel waren für Ostmitteleuropa richtungsweisend. Die Erfüllung des zivilgesellschaftlichen Anspruchs, Fundament und Korrektiv der Politik zu sein, steht allerdings noch aus, wie die beiden Polen-Jahrbücher mit den Schwerpunkten Regionen und Umwelt zeigen. Einen Überblick bietet Włodzimierz Borodziej mit der Geschichte Polens im 20. Jahrhundert.

Rote Bürger. Eine Milieu- und Beziehungsgeschichte linker Dissidenz in Polen (1956-1976)

Die Zivilgesellschaft Polens. Zwischen Aufbruch und Stagnation

Geschichte Polens im 20. Jahrhundert

Jahrbuch Polen 2015. Umwelt

Jahrbuch Polen 2012. Regionen

Nachbarn. Der Mord an den Juden von Jedwabne. Mit einem Vorwort von Adam Michnik. Aus dem Englischen von Friedrich Griese

Angst. Antisemitismus nach Auschwitz in Polen. Aus dem Polnischen von Friedrich Griese, unter Mitarbeit von Ulrich Heiße

Rechtsextremer Osten? Zur Lage in Russland, der Ukraine und Polen

Jenseits der Planwirtschaft. Der Schwarzmarkt in Polen 1944-1989. Aus dem Polnischen übersetzt von Pierre-Frédéric Weber

Das Weltbild und die Wirtschaftsauffassung des polnischen Rechtspopulismus

Revolution der Erinnerung. Der Zweite Weltkrieg in der Geschichtskultur des spätsozialistischen Polen

Die geglückte Revolution. Das Politische und der Umbruch in Polen 1976-1997

Die große Angst. Polen 1944-1947. Leben im Ausnahmezustand. Übersetzt von Sandra Ewers
Zusammengestellt von:
Erschienen am:
27. Oktober 2017
Weitere Literatur
Hubert Leschnik
Erinnerungskultur und Geschichtspolitik in Polen von 1998 bis 2010
Marburg, Herder-Institut 2018 (Studien zur Ostmitteleuropaforschung)
Stefanie Peter
Undercover Nation – Die geheime Geschichte Polens
Berlin, Suhrkamp Verlag
Krzysztof Pilawski / Holger Politt
Polens Rolle rückwärts. Der Aufstieg der Nationalkonservativen und die Perspektiven der Linken
Hamburg, VSA 2016
Andreas Rostek (Hrsg.)
POLSKA first. Über die polnische Krise
Bonn, Bundeszentrale für politische Bildung 2018 (Schriftenreihe 10254)
Fabian Winker
Rechtspopulistische Regierungsparteien in Ungarn und Polen. Gefahr oder Revitalisierung der Demokratie?
München, GRIN Verlag 2016
Rezension

Der Bruch. Ursachen und Konsequenzen des Umsturzes der Verfassungsordnung Polens 2015-2016
Frankfurt a. M. 2016, Peter Lang Verlag 2016 (Studies in Political Transition 6)
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Die Anfeindung – rechtspopulistische und rechtsextreme Phänomene im postsowjetischen Raum
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