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„Work in Progress“ – Umsetzung der Agenda 2030. Stellungnahmen aus der Zivilgesellschaft

11.05.2017
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Sabine Steppat, Dipl.-Politologin

Kinderrechtsaktivistin und Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai, umgeben von Jugendlichen mit Solarlaternen, die die Hoffnung der Jugend symbolisieren – während des Nachhaltigkeitsgipfels der Vereinten Nationen in New York, September 2015. Foto: http://www.unmultimedia.org/photo/Kinderrechtsaktivistin und Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai, umgeben von Jugendlichen mit Solarlaternen, die die Hoffnung der Jugend symbolisieren – während des Nachhaltigkeitsgipfels der Vereinten Nationen in New York, September 2015. Foto: http://www.unmultimedia.org/photo/

 

Die im September 2015 verabschiedete Agenda 2030 wurde unter breiter Beteiligung der Zivilgesellschaft in aller Welt entwickelt. Um die Nachhaltigkeitsziele umzusetzen, ist wiederum eine intensive Zusammenarbeit der Vertreter*innen sämtlicher staatlicher Ebenen mit denen zivilgesellschaftlicher Organisationen notwendig. In dieser Zusammenstellung findet sich eine kleine Auswahl an Stellungnahmen deutscher Nichtregierungsorganisationen. Darin werden mehr Nachhaltigkeit in zentralen Politikfeldern und auch institutionelle Veränderungen gefordert, wie beispielsweise die Einrichtung eines Parlamentarischen Beirats für Nachhaltige Entwicklung, der als regulärer Bundestagsausschuss, als „SDG-TÜV“, fungieren sollte. Darüber hinaus wird gefordert, dass Deutschland sich auch für die Verwirklichung der SDGs einsetzen sollte, die auf die Bewahrung und den Schutz globaler Gemeingüter abzielen. Die Bundesrepublik sei als Vorreiterin in internationalen Politikprozessen gefordert und sollte für andere Regierungen sowie die EU als Vorbild dienen. Zu Wort kommen unter anderem der Deutsche Behindertenrat, der Hamburger Landesfrauenrat, der sich dem Nachhaltigkeitsziel 5 widmet, also der Frage der Geschlechtergerechtigkeit, der Verband für Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe sowie Brot für die Welt.

 


AWO Bundesverband / Der Paritätische Gesamtverband / Deutscher Naturschutzring (DNR) / Diakonie Deutschland / Forum Menschenrechte / Forum Umwelt und Entwicklung / Konsortium Ziviler Friedensdienst / Plattform Zivile Konfliktbearbeitung / Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) / Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO) (Hrsg.)
Ein Anfang, der nach mehr verlangt: Die Nachhaltigkeitsstrategie muss ehrgeizig umgesetzt und weiterentwickelt werden!
Gemeinsame Stellungnahme , März 2017
http://venro.org/uploads/tx_igpublikationen/DNS_Stellungnahme_2017_02032017_01.pdf

Im Januar 2017 hat die Bundesregierung die Neuauflage der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie präsentiert und dabei im Vorfeld die Vertreter*innen des Herausgeberkreises eingebunden, was in diesem gemeinsamen Positionspapier ausdrücklich positiv vermerkt wird – genauso wie die Tatsache, dass die Bundesregierung eine erneute Überarbeitung der Ziele und eine Ergänzung durch neue Indikatoren bereits für 2018 geplant hat und die Nachhaltigkeitsstrategie als „‚Work in Progress‘“ betrachtet. Kritisiert wird jedoch, dass die Bundesregierung am „derzeitigen rein auf quantitativem Wachstum basierenden Wirtschaftsmodell“ festhält und sie „eine politische Öffnung hin zu einem konkreten Richtungswechsel für mehr Nachhaltigkeit in zentralen Politikfeldern“ vermeidet.

 


Forum Umwelt und Entwicklung (Hrsg.)
Die Umsetzung der globalen 2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung
Februar 2016
http://www.deutscher-behindertenrat.de/mime/00094417D1460614958.pdf

Das Forum Umwelt und Entwicklung, das nach eigenen Angaben die Aktivitäten deutscher Nichtregierungsorganisationen in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung koordiniert und von Natur- und Umweltschutzverbänden getragen wird, hat im Februar 2016 ein Positionspapier vorgelegt. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, zur Umsetzung der Agenda hierzulande nicht nur einen „umfassenden und verbindlichen nationalen Umsetzungsplan“ zu erstellen, sondern auch den Dialog mit der Zivilgesellschaft zu führen und den Bundestag zu beteiligen. Sämtliche Gesetzesvorhaben sollten zukünftig im Hinblick auf ihre Kompatibilität mit der Agenda 2030 überprüft werden. Gefordert wird ein Parlamentarischer Beirat für Nachhaltige Entwicklung, der als regulärer Bundestagsausschuss, als „SDG-TÜV“, fungieren sollte. Ferner sollte die Bundesregierung über den Stand der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele regelmäßig Bericht erstatten. Zu den einzelnen Zielen werden jeweils Forderungen erhoben, wie etwa im Hinblick auf SDG 12 (für nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sorgen), wonach Deutschland seinen „ökologischen Fußabdruck und den Verbrauch natürlicher Ressourcen“ reduzieren sowie die Sekundärrohstoffverwendung stärken sollte.

 


Deutscher Behindertenrat (DBR) / Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO) (Hrsg.)
Die Umsetzung der globalen 2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung inklusiv gestalten
http://www.deutscher-behindertenrat.de/mime/00094417D1460614958.pdf

Die beiden Akteure adressieren die Bundesregierung und fordern, dass die Inklusion bei der Fortschreibung der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie entsprechend zu berücksichtigen ist. Da das zentrale Leitmotiv der Agenda lautet, niemanden zurückzulassen („Leave no one behind“), gelte es, bei der Umsetzung der Agenda besonders darauf zu achten, dass „marginalisierte und benachteiligte Bevölkerungsgruppen“ erreicht werden – wozu Menschen mit Behinderung in besonderer Weise zählten. Der partizipative Prozess müsse auch in der Umsetzung und im Monitoring unter Einbeziehung von zivilgesellschaftlichen Organisationen, darunter etwa Selbstvertretungsorganisationen und Selbsthilfegruppen von Menschen mit Behinderungen, Behindertenverbänden, Fachverbänden, fortgesetzt werden. Es sollten spezifische menschenrechtliche nationale Indikatoren zur Situation von Menschen mit Behinderungen in allen relevanten Entwicklungsbereichen in die Fortschreibung der Nachhaltigkeitsstrategie aufgenommen werden. Behinderung müsse in der Agenda 2030 explizit als Merkmal zur Disaggregierung von Daten benannt werden. Dies werde auch vom UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen zur Überprüfung der Umsetzung der Konvention in Deutschland empfohlen (UN Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, 2015).

 


Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e. V. / Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst (Hrsg.)
Die Sustainable Development Goals. 17 neue Ziele für nachhaltige Entwicklung
https://www.brot-fuer-die-welt.de/fileadmin/mediapool/2_Downloads/Fachinformationen/Aktuell/Aktuell51_SDGs_final.pdf

Die Umsetzung der Ziele in Deutschland beinhaltet laut diesem Papier die folgenden Aspekte:

  1. Soziale Ziele wie beispielsweise die Bekämpfung der Ungleichheit oder die Sicherstellung der Gleichberechtigung der Geschlechter seien ebenso relevant wie die Ziele über die Nachhaltigkeit von Städten und Siedlungen (Ziel 11) oder wie der Schutz der Ozeane, Meere und Meeresressourcen (Ziel 14). Trotz notwendiger Priorisierung sei es bedeutsam, alle 17 Ziele einzubeziehen. Auf diese Weise werde ein umfassendes Monitoring- und Berichtswesen gewährleistet, das die Aufgaben aller Ministerien bei der Umsetzung überprüfen könne. Möglicherweise werde die nationale Nachhaltigkeitsstrategie allein nicht ausreichen und zusätzlich die Entwicklung eines nationalen Umsetzungsplans zur Erreichung der SDGs erfordern.

  2. Deutschland solle sich auch für die Verwirklichung der SDGs einsetzen, die auf die Bewahrung und den Schutz globaler Gemeingüter wie das Klima und die Biodiversität abzielten. Die Bundesrepublik sei als Vorreiterin in internationalen Politikprozessen gefordert, etwa im Hinblick auf die Energie- und Agrarpolitik, und sollte für andere Regierungen sowie die EU als Vorbild dienen.

  3. Die Länder, die selbst nicht hinreichend in der Lage seien, die SDGs umzusetzen, sollten von der Bundesrepublik im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit gefördert werden.

  4. Es müsse sichergestellt sein, dass die zuständigen Instanzen in Regierung und Parlament (der Staatssekretärsausschuss, der parlamentarische Beirat und der Rat für nachhaltige Entwicklung) der Größe der Aufgaben angepasst und aufgewertet werden. Der parlamentarische Beirat sollte befugt werden, Gesetze aufzuhalten, die nicht nachhaltig sind.

 


ad Nachhaltigkeitsziel 5:

Christa Randzio-Plath
Die UN-Agenda 2030
Präsentation 2016
http://landesfrauenrathamburg.de/termine/Die-UN-Agenda-2030-Landesfrauenrat-Hamburg-Info-Spot-.pdf

Die Ehrenvorsitzende des Landesfrauenrates Christa Randzio-Plath bietet in ihrer Präsentation nicht nur einen Überblick über die Bedeutung der Agenda 2030 insgesamt, sondern geht insbesondere auf das Ziel 5 ein: „Geschlechtergerechtigkeit und Selbstbestimmung für alle Frauen und Mädchen erreichen“. Frauen komme eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der Agenda zu. Geschlechtergerechtigkeit sei in der Agenda sowohl als eigenständiges Ziel als auch als Querschnittsthema verankert, sie ziehe sich durch alle Politikbereiche und müsse entsprechend verankert werden. Neben der gleichberechtigten Partizipation und Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen gehe es um das Ende von Gewalt und Diskriminierung. Die Tatsache, dass die Geschlechtergerechtigkeit Teil der Agenda geworden sei, sei ein Erfolg der weltweit agierenden Frauenorganisationen und SDG 5insofern von Wichtigkeit, als die Millenniumsziele nur wenige Fortschritte beim Abbau geschlechtsspezifischer Unterschiede erreicht hätten. Das politische und wirtschaftliche Empowerment von Frauen erhalte durch die Unterziele von Ziel 5 eine besondere Betonung. Randzio-Plath erläutert, inwiefern das Ziel der Geschlechtergerechtigkeit in Relation zu weiteren Zielen, wie dem der Bildung (4), dem Klimaschutz (12) oder der nachhaltigen Stadtpolitik (11), steht.

 


ad Nachhaltigkeitsziel 5:


Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe deutscher Nichtregierungsorganisationen e. V. (VENRO) (Hrsg.)
Lippenbekenntnisse oder Taten – was bringt die Agenda 2030 für Frauen und Mädchen?
STAND.PUNKT, Nr. 6/November 2015
http://venro.org/uploads/tx_igpublikationen/Standpunkt_Lippenbekenntnisse_oder_Taten.pdf

Ausgehend von der Feststellung, dass die Gleichstellung der Geschlechter in keiner Region erreicht wurde, fordert VENRO die Bundesregierung auf, ihren Beitrag zur Erreichung der SDGs sowohl auf globaler als auch auf nationaler Ebene zu leisten. Die Gender-Thematik müsse adäquat berücksichtigt und dabei insbesondere die „mehrfach benachteiligten Frauen und Mädchen“ in den Blick genommen werden. Bei der (Weiter-)Entwicklung und Erhebung internationaler wie nationaler Indikatoren müssten die Frauenorganisationen entsprechend eingebunden werden.

 


Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO) (Hrsg.)
Für Weltoffenheit, Solidarität und Gerechtigkeit!
Positionspapier zur Bundestagswahl 2017, 1/2017
http://venro.org/uploads/tx_igpublikationen/VENRO_Positionspapier_Bundestagswahl2017.pdf

In diesem Positionspapier zur Bundestagswahl findet sich auch eine knappe Stellungnahme zur Agenda: Die soziale Schere gehe weltweit immer weiter auseinander – auch in den wohlhabenden Ländern. Chancen- und Perspektivlosigkeit werde auch hierzulande zu neuer Armut führen und bereite den Nährboden für Populismus. Daher sei der Ansatz der Agenda 2030 positiv, sie liefere eine „Blaupause für Prinzipien“, wie die Welt „gerechter und inklusiver“ gestaltet werden könne. Die Agenda 2030 müsse „sowohl Leitbild als auch Leitfaden für künftiges politisches Handeln sein“.

 

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Rebekka Hannes / Michèle Roth (2018):
Global denken, lokal handeln: Die Agenda 2030 als Impuls für regionale und kommunale Politik
in: Institut für Entwicklung und Frieden / Stiftung Entwicklung und Frieden,
Entwicklungspolitik in Zeiten der SDGs. Essays zum 80. Geburtstag von Franz Nuscheler,
hrsg. von Tobias Debiel, Bonn, S. 151-154.


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